(aus dem bisher unveröffentlichten Buch „Die Geheimnisse des Himmelreichs“)
…
(Mk 10,13) (Lk 18,15) Mt 19,13 Da wurden Kinder von ihren Müttern zu ihm gebracht, dass er die Hände auf sie lege und bete. Die Jünger aber wiesen sie zurück (griech. epitimao, jdn. etw. verbieten; einen Verweis erteilen; tadeln; scharf ermahnen; schelten; Vorwürfe machen; zurückweisen).
(Mt 19,14) (Mk 10,14) Lk 18,16 Jesus aber rief sie zu sich und sprach: „Lasst die Kindlein zu mir kommen und wehrt ihnen nicht; denn solcher ist das Reich Gottes. Deshalb lacht, seid spielerisch, begeistert, aktiv, begierig zu lernen und frei von Konditionierungen.
Die Mütter waren beglückt über Jesu Freude an den Kindern und scharten sich um ihn. Eine Mutter ermahnte ihr Kind: „Sag ‚Guten Tag, Rabbi!’ Und Jesus sprach zu der Mutter: „Lehre nicht das Kind durch Befehle. Tue du selbst, was richtig ist, zu tun, und dein Kind wird dich automatisch nachahmen. Sei sein Vorbild durch dein gutes Handeln.“
Eine andere Mutter wehrte ihr Kind ab, das sie bedrängte. Als sie sah, dass Jesus zu ihr blickte, sprach sie entschuldigend: „Mein Sohn lässt mich keine Sekunde alleine. Immer will er in meiner Nähe sein und klammert sich an mich.“
Jesus antwortete ihr: „Weib, dein Sohn spürt, dass dir seine Nähe zu viel ist. Solange er das spürt, wird er Angst haben, abgelehnt zu werden und umso mehr deine Nähe suchen. Zeige ihm in Ton und Haltung, dass du ihn annimmst. Sag ihm, dass du immer für ihn da bist. Sobald er merkt, dass du es ernst meinst und deine innere Abwehr aufgegeben hast, wird er frei werden.“
Ermutigt durch Jesu Gespräche mischten sich nun auch andere Frauen ein. Eine sagte: „Rabbi, mein Kind ist so egoistisch, was soll ich tun?“
Jesus sprach: „Es ist gut, wenn das Kind egoistisch ist. Wir wollen Kinder, die selbstständig sind und frei denken. Es ist gut, egoistisch zu sein. Ein egoistisches Kind tritt für seine Ziele ein und ist strebsam. Ein egoistisches Kind nimmt Rücksicht auf die Belange anderer, weil es weiß, dass gute Freundschaften ihm selbst zugute kommen. Ein egoistisches Kind schützt andere, weil es um den Wert des Lebens und der Freiheit weiß.“
Da drängte ein Junge durch die Menge, legte seine Hand in Jesu Hand und fragte den Meister: „Rabbi, wen liebst du mehr, mich oder meinen Bruder?“
Jesus blickte den Jungen voller Liebe an und antwortete ihm: „Liebes Kind, du bist einmalig. Es gibt keine andere Person in der ganzen Welt wie dich. Mit deinem Aussehen, mit deinen Talenten und mit deiner Ausstrahlung bist du völlig einzigartig.“
Glücklich legte der Junge seinen Kopf in Jesu Schoß. Und zu den Müttern gewandt sprach Jesus: „Behandelt eure Kinder mit Wertschätzung und ihr werdet erkennen, dass all eure Probleme nicht existieren.“
Da fragte eine Frau: „Was meinst du mit Wertschätzung? Wir lieben unsere Kinder doch!“
Jesus sprach: „Ich weiß, dass ihr sie liebt. Darüber hinaus brauchen sie eure Wertschätzung. Respektiert die Kinder, hört ihnen zu, wenn sie etwas erzählen, ohne dabei Nebenbeschäftigungen auszuüben. Gebt ihnen keine Spitznamen, macht sie nicht lächerlich, weil sie etwas noch nicht beherrschen. Klagt nicht über die Kinder, vor allem nicht in Gegenwart anderer Leute. Sprecht mit ihnen nicht in einer Sprache wie ihr mit Neugeborenen sprecht. Macht die Kinder nicht klein, sondern erkennt ihre Einzigartigkeit und Würde. All das und noch mehr ist Wertschätzung.“
Eine Mutter rief von hinten aus der Menge zu Jesus: „Sprich, Rabbi, warum aber sind die Kinder heutzutage so wild?“
Jesus antwortete ihr: „Die Kinder müssen lernen, Selbstverantwortung zu tragen. Sie müssen erfahren, dass sie sich auf sich selbst verlassen können. Das lernen sie, wenn sie die Konsequenzen ihres Handelns erfahren dürfen.“
„Was meinst du damit? Was ist die Konsequenz, wenn mein Sohn zu spät zum Essen kommt?“, fragte die Frau.
„Dann gibt es für ihn kein Essen mehr“, antwortete Jesus zum großen Erstaunen aller.
Und die Mutter rief erneut: „Soll er denn verhungern?“
Jesus antwortete lächelnd: „Niemand verhungert, wenn er einmal nicht isst. Die Pharisäer selbst fasten zweimal die Woche. Das nächste Mal wird dein Sohn rechtzeitig zum Essen kommen.“
„Aber ist das nicht zu brutal? Wir dachten, du seist für Liebe und jetzt predigst du so etwas?“, sprach eine andere Frau.
„Die Familie soll die Schule für das Leben sein. Wenn das Kind in der Familie keine Konsequenzen erfährt und das Kind geht in die Welt, in der es Konsequenzen gibt, wird es scheitern. Das ist dann brutal. Die Familie soll das Kind für die Welt trainieren. Wenn die Kinder später in der Welt stehlen und gewalttätig sind und Verträge nicht einhalten, werden sie bestraft werden. Keiner wird sie davor beschützen. Lernt das Kind aber in der Familie in Liebe Selbstverantwortung, wird es im Leben bestehen. Es wäre brutal, das Kind damit alleine zu lassen und ihm dieses Gerüst zu verweigern.
Natürlich soll die Konsequenz nie willkürlich erfolgen. Das Kind muss von der Konsequenz vorher Kenntnis haben, damit es entscheiden kann. Nur Willkür wäre brutal.“
Da sagte eine weitere Frau: „Meine Nachbarin klagt, dass mein Sohn stiehlt. Es waren zwei Buben, die weggelaufen sind, kurz nachdem sie entdeckt hatte, dass ihre Hühnereier gestohlen waren. Nun beschuldigt sie meinen Sohn und verlangt von mir, ihn zu bestrafen. Sie verlangt Konsequenz und Gerechtigkeit. Was soll ich tun?“
Jesus antwortete ihr: „Gerecht ist es, keinen schuldlosen Menschen zu bestrafen. Wenn Zweifel da sind, dass dein Sohn die Eier gestohlen hat, oder wenn der Beweis nicht objektiv ist, darf dein Sohn nicht bestraft werden. In dubio pro reo. Auch gilt: Nulla poena sine lege. Keine Strafe ohne Gesetz. Das Gesetz darf nicht nachträglich gemacht werden.“
Die Mutter fragte verwundert: „Nulla poena sine lege? Brauchen wir dann für jeden kleinen Fall ein Gesetz, Rabbi?“
Eine andere Mutter ergänzte: „Es wird Schlupflöcher geben!“
Eine dritte rief: „Noch mehr Gesetze?“
Jesus beruhigte die Frauen und sprach: „Nein, nicht mehr Gesetze. Wir brauchen mehr Integrität und weniger Gesetze. Lehrt eure Kinder keine Gesetze, sondern Prinzipien.“
„Welche Gesetze sollen wir sie lehren, Meister?“
Jesus sprach: „Lehrt sie, sie sollen nicht töten, sie sollen nicht stehlen und sie sollen Wort halten. Anders ausgedrückt, lehrt sie die Achtung vor dem Leben, dem Besitz und dem Wort.
Viele leben nach dem Buchstaben der Gesetze, aber Gott will, dass ihr die Gesetze nach ihrem Geist befolgt, deshalb erzieht eure Kinder entsprechend.“
„Wie können wir sie lehren, den Geist zu erkennen?“
„Erzieht sie zu Integrität, Ehrlichkeit und anderen Werten. Dadurch wird das Verständnis für den Geist gebildet. Lehrt also nicht nur die Prinzipien, sondern achtet darauf, den Charakter der Kinder zu bilden. Mit Charakter denkt man nicht daran, andere zu kontrollieren und zu unterdrücken, oder wie man Gesetze zu seinen Gunsten manipuliert und dergleichen.“
„Das werden wir tun, Rabbi. Sag uns nun noch, was wir in den Schulen lehren sollen.“
Jesus sagte: „Lehrt die Achtung vor dem Leben, dem Besitz und dem Wort. Lehrt außerdem Lesen und Schreiben, Grammatik und Mathematik, Weltliteratur wie Homer, Virgil, Livius, Cicero, Herodot, Aristoteles, Euripides und lehrt Ethik.“
(Mt 19,15a) Mk 10,16 Und er herzte die Kinder und legte die Hände auf sie und segnete sie
Mt 19,15b und zog von dannen.
…
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.