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(aus dem bisher unveröffentlichten Buch „Die Geheimnisse des Himmelreichs“)

Joh 3,1 Es war ein Mann unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, ein Oberster unter den Juden.

Joh 3,2 Der kam zu Jesus bei Nacht. (…) Nikodemus sagte zu Jesus: „Meister, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen. Denn niemand kann diese Wunder tun, die du tust, wenn Gott nicht mit ihm ist. Aber ich bin beunruhigt und besorgt. Die geistigen Führer waren äußerst verärgert über deine Rede, weil du sagtest, dass alle Menschen in den Himmel kommen. Sie denken, dass die Menschen aufhören werden, liebevoll, aufrichtig und hilfsbereit zu sein, wenn nicht die Angst vor der Hölle sie dazu zwingt. Es ist gefährlich, zu sagen, dass jeder in den Himmel kommt, egal ob er gut oder böse handelt. Sie könnten denken, ‚richtig und falsch’ existierten nicht als moralischer Wert und töten und plündern sei genauso gut wie der Respekt vor dem Leben und dem Eigentum des anderen Menschen. Sie könnten dich wegen dieser Aussage sogar töten.”

Jesus: „Religiöse Menschen, die töten? Das ist Ironie. Sie sollten die Menschen lehren, das Königreich Gottes zu verstehen. Anstatt dessen sind sie selbst geblendet durch ihre vernunftlosen Konditionierungen und technischen, sinnentleerten Rituale.”

Nikodemus: „Meister, ich verstehe dich ja, aber deine Ideen sind zu ungewohnt für die Menschen, sie können sie nicht akzeptieren. Durch deine Lehre bringst du die Menschen dazu, ihre Handlungen zu prüfen und sich so immer mehr ihrer Heuchelei und ihrer rituellen Konditionierungen bewusst zu werden, so dass sie das Königreich Gottes verstehen können. Aber Meister, ich bitte dich zu deinem eigenen Besten, gehe langsamer vor.”

Jesus: „Herkules konnte den Augiasstall nicht mit wenigen Eimern Wasser reinigen. Er musste den ganzen Fluss in die Ställe umleiten, um die Unreinheiten hinauszuspülen, die sich über Jahre angesammelt hatten.”

Nikodemus: „Herkules war ein Sklave, der alles tat, was ihm von König Eurystheus aufgetragen war. Er hatte nicht das Establishment erschüttert. – An einem Tag hast du sogar die Verkäufer aus dem Tempel hinausgeworfen. Das hat die Tempelaufsicht wütend gemacht. Jeder spricht darüber. Sogar Pontius Pilatus und Tiberius Cäsar haben davon gehört. Natürlich ist es nicht in Ordnung, im Tempel zu verkaufen, das weiß ich. Und ich verstehe auch die geistige Dimension, die dahinter steht. Ich bewundere deine Handlung. Ich selbst hätte nie den Mut, die Verkäufer hinauszuwerfen. Aber es ist gefährlich für dich! Bitte Meister, lehre uns das Verständnis für das Königreich Gottes in kleinen Schritten.”

Jesus: „Soll ich zuerst die Geldwechsler hinauswerfen, dann nach einiger Zeit die Ochsenverkäufer, später die Schafverkäufer und nach ein oder zwei Jahren dann die Taubenverkäufer?”

Nikodemus: „Du hast Recht, das wäre auch nicht besser.”

Joh 3,3 Jesus antwortete: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht wieder vollständig von neuem geboren werde, kann er sich des Reiches Gottes nicht bewusst sein (griech. eido, sehen; verstehen; bewusst sein; zur Kenntnis nehmen; Wissen erlangen von etw.).“

Joh 3,4 Nikodemus spricht zu ihm: „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er von seiner Mutter ein zweites Mal empfangen und geboren werden?” Nikodemus hatte Jesus missverstanden. Er hatte seine Worte buchstäblich genommen.

Joh 3,5 Jesus antwortete: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht wiedergeboren wird aus Wasser und dem heiligen Geist, so kann er nicht in das Reiches Gottes als ein Engel mit höherem Bewusstsein kommen, sondern betritt den Himmel mit niedrigem Bewusstsein. Dann hat er in seinem Erdenleben nichts für sich hinzu gewonnen.

Joh 3,6 Was von Fleisch geboren wird, das ist Fleisch. Was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Höre Nikodemus, deine Eltern haben dir einen körperlichen Geist gegeben. Aber du brauchst die Bewusstheit für höhere Werte, die der Heilige Geist dir geben kann. Du brauchst nichts tun, um in den Himmel zu kommen. Doch du wirst dein Bewusstsein nicht erhöht haben, wenn du nach falschen Werten und Prinzipien lebst.

Joh 3,7 Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von neuem, aus dem Heiligen Geist, d.h. mit höherem Bewusstsein, geboren werden, sozusagen.

Joh 3,8 Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist.“

Joh 3,9 Nikodemus sprach: „Wie kann dies geschehen?“

Joh 3,10 Jesus antwortete: „Du bist der Lehrer Israels und weißt das nicht?

Joh 3,11 Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Was wir wissen, das reden wir. Und was wir gesehen haben, bezeugen wir. Und ihr nehmt unser Zeugnis nicht an.“

Nikodemus: „Weil es gegen unser Denkmuster geht. Es gibt so viele Redner hier. Niemand fühlt sich durch sie gestört. Versuche, ein bisschen weniger direkt zu sprechen. Keiner wird sich dann angegriffen fühlen.“

Jesus: „Dann ist meine Rede wirkungslos. Erinnerst du dich daran, wie du mir sagtest, Harunf habe deine Oliven gestohlen? Harunf kam regelmäßig, um meinen Reden zuzuhören! Ich predigte vom Recht auf Eigentum, doch Harunf stahl weiter. Meine Predigt war zu indirekt und daher wirkungslos. Dann predigte ich davon, dass man nicht stehlen solle. Aber er stahl weiter deine Oliven und hat obendrein meine Predigt gelobt. Er hatte nichts verstanden. Also predigte ich, man solle keine Oliven stehlen. Auch das blieb wirkungslos. Nun entschloss ich mich, ganz direkt mit ihm zu sprechen. Ich sagte zu ihm: ‚Du sollst die Oliven von Nikodemus nicht stehlen‘. Jetzt erst verstand er, dass er das Recht auf Eigentum verletzt hatte.“

Nikodemus: „Aber er anerkennt das Recht auf Eigentum.“

Jesus: „Es war ihm nicht bewusst, dass er das Recht auf Eigentum verletzt hatte, dass seine Handlung und sein Glaube nicht in Einklang miteinander waren.“

Nikodemus: „Du sagtest, ‚Alles, was ich habe, ist deines‘.“

Jesus: „Harunf hatte mich missverstanden. Er handelt nach dem Prinzip ‚Alles, was du hast, ist meines‘. Erst als ich direkt gesprochen habe, hat er das Prinzip richtig verstanden. Dann hat er sofort aufgehört, zu stehlen.“

Nikodemus: „Er hat vielleicht aufgehört zu stehlen, weil er satt von Oliven war und keine mehr essen wollte.“

Jesus: „Übe Discretio. Es gibt einen Unterschied zwischen Nicht-Stehlen, weil man satt ist und Nicht-Stehlen, weil man das Recht auf Eigentum anerkennt.“

Nikodemus: „Wozu ist das Recht auf Eigentum gut? Führt es nicht dazu, dass Ungleichheit unter den Menschen herrscht und manche Vieles und andere Weniges besitzen?“

Jesus: „Das Recht auf Eigentum bedeutet, dass ein Mensch die Früchte seines Handelns selbst ernten und frei darüber verfügen darf. Warum sonst sollte er danach streben, Früchte zu säen und sich dadurch weiter zu entwickeln? Die Menschen können ihr Bewusstsein nicht erhöhen, wenn sie nicht ernten dürfen, was sie säen. Sie erkennen dann nicht die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung. Das Recht auf Eigentum drückt gleichzeitig den Respekt vor der Würde des Menschen aus. Respekt vor dem Besitz des Menschen ist auch Respekt vor dem Leben des Menschen.“

Nikodemus: „Das verstehe ich nicht.“

Jesus: „Wenn es mir erlaubt ist, dir auch nur einen winzigen Teil deines Besitzes zu stehlen, wirst du das Empfinden haben, dass dir kein Respekt entgegengebracht wird. Und tiefer in deinen Emotionen wirst du dadurch empfinden, dass du keine Daseinsberechtigung hast, dass andere Menschen – nämlich die, die dir etwas wegnehmen – mehr Daseinsberechtigung haben als du selbst. Das wird dein Selbstbewusstsein verringern und du wirst dich weniger als Gottes Kind fühlen können. Auch wenn jemand das Recht hätte, dem reichen, ehrlichen Menschen nur ein winziges Goldkorn wegzunehmen, käme dadurch diese Respektlosigkeit zum Ausdruck. Stehlen ist lebensverachtend. Man darf nicht die Armen bestehlen und man darf auch nicht die Reichen bestehlen. Es ist moralisch, das Recht auf Eigentum absolut zu schützen.“

Nikodemus: „Bitte sage mir noch mehr Wahrheiten.“

Joh 3,12 Und Jesus sprach weiter: „Wenn ich euch von irdischen Dingen berichte und ihr nicht glaubt, wie werdet ihr glauben, wenn ich euch von himmlischen Wahrheiten erzählen würde?

Joh 3,13 Niemand geht (griech. oudeis anabebeken – oudeis, kein Mensch; anabebeken, nach oben geht) in den Himmel, wenn er nicht vom Himmel herabgestiegen ist, auch nicht des Menschen Sohn.

Nikodemus: „Was meinst du damit, Herr?“

Jesus: „Ich meine, dass niemand in den Himmel geht, der nicht zuvor von dort gekommen ist. Das heißt, dass wir alle vom Himmel sind.“