Fehlschluss "Missbrauch der Mitte"
Die Tatsache, ob ein Standpunkt mittel oder extrem ist, ist irrelevant für die Wahrheit des Gesichtspunktes!
In vielen Situationen scheint es, als gäbe es drei mögliche Sichtweisen. Auf der einen Seite ist ein Extrem, auf der anderen Seite ist das Extrem umgekehrt. Und dann sieht es aus, als gäbe es eine Mitte zwischen den Extremen.
Sie argumentieren dann, dass die Mitte, was auch immer sie ist, gültig sei, einfach deshalb, weil sie die Mitte darstellt.
Die extremen Positionen seien ungültig, weil sie Extreme sind.
Die Natur des Extrems wird nicht in Betracht gezogen, nur die Tatsache, dass es extrem ist.
Wenn Sie nach der Logik gehen, dann müssen Sie Gründe und Beweise haben, die Ihren Standpunkt betreffen, egal ob er mittel oder extrem ist.
Das Konzept der ‘Mitte’ ist von Natur aus ungenau. Es sagt Ihnen überhaupt nichts, denn viele verschiedene Standpunkte können ‘Mitte’ genannt werden.
Wenn ‘Mitte’ nur das bedeutet, was sich zwischen zwei Extremen befindet, dann können Sie die Extreme manipulieren und für Ihre Zwecke etwas Passendes als Mitte erfinden.
Beispiel:
Mit welcher Geschwindigkeit soll in der Nähe einer Schule gefahren werden?
Einer sagt, 10 km/h ist die richtige Geschwindigkeit. Ein anderer sagt, 100 km/h ist richtig. Also wäre die Mitte 55 km/h. Das klingt wie eine gültige Schlussfolgerung. Aber eine andere Person könnte davon unterschiedliche Extreme wählen, z.B. 10 km/h und 50 km/h und beschließen, dass man 30 km/h fahren soll in der Nähe einer Schule.
Beide Beispiele sind die ‘Mitte’. Sie sind unterschiedlich, weil ihre Extreme unterschiedlich gewählt wurden. Deshalb sagt Ihnen die ‘Mitte’ nichts, außer, dass sie sich zwischen zwei anderen Standpunkten befindet.
Ein Standpunkt ist rational nicht aufgrund seiner Position in der Mitte oder am Ende, sondern aufgrund logischer Argumente.
Es gibt sehr viele Positionen, die man ‘Positionen der Mitte’ nennen kann, z.B.
- „Auf der einen Seite ist extreme Freiheit, auf der anderen Seite ist extreme Sklaverei. Wir wollen keine Extremisten sein, also laßt uns die Mitte wählen und nur manche Menschen zu Sklaven machen.“
- Ein Richter könnte sagen: „Ein Extrem ist es, alle unschuldigen Menschen freizulassen und alle schuldigen Menschen zu bestrafen. Ich werde den Weg der Mitte gehen. Ich werde einige unschuldige Menschen ins Gefängnis bringen und einige Banditen freilassen.“
Die Griechen, einschließlich Aristoteles, begingen diesen Fehlschluss, dass sie sagten, die Mitte sei in der Ethik gültig, einfach nur deswegen, weil sie die Mitte sei.
Beispiel:
Die sogenannte goldene Mitte ist nicht golden
Aristoteles sagte: „Im einen Extrem ist ein Mensch, der zu wenig Selbstbewusstsein hat, und der sagt, dass er wertlos und für nichts gut sei. Im anderen Extrem ist der dreiste Mensch, der ohne Ende an sich selbst denkt und eine zu hohe Meinung von sich besitzt. Der Mensch, der sich in der Mitte befindet, ist der Mensch mit der richtigen Haltung, oder der goldenen Mitte.“
Das Konzept der ‘goldenen Mitte’ scheint vernünftig zu sein. Kein Wunder, dass die Griechen deshalb großen Wert auf die Mäßigkeit legten. Ihr Fehler war der, dass sie die selbe Haltung in drei Grade der Intensität unterteilten und dann falsch schlussfolgerten, dass die extremen Haltungen irrational wären. Dann begingen sie den Fehler, Mäßigkeit so zu definieren, dass sie bedeutet, zu jedem Problem einen Kompromiss zu finden, indem die Widersprüche akzeptiert werden und die Logik verworfen wird. Das einzige Ziel war, die Mitte zu finden, und all das im Namen der Vernunft.
Sie benutzten aber Vernunft, um die Vernunft zu leugnen.
Der Grund dafür, dass die Griechen Mäßigkeit bevorzugten, war, dass sie mit beiden extremen Parteien Freunde sein wollten. Sie wollten von beiden Parteien gemocht werden. Sie wollten nicht Verantwortung übernehmen und so beschlossen sie, beide Parteien zu beschwichtigen. Sie gaben das Denken auf und wollten an jeder extremen Sichtweise teilhaben. Das nannten sie die ‘goldene Mitte’. Das bedeutet, dass sie nicht die Verantwortung dafür übernommen haben, zu sagen, „das ist mein Standpunkt!“.
Beispiel Extremismus
Extemismus bedeutet normalerweise rücksichtslose Konsequenz. Wenn die Grundprämisse des Menschen falsch ist, dann ist Extremismus irrational.
Wenn aber die Grundprämisse des Menschen richtig ist, dann ist Extremismus eine Tugend.
- Die Sichtweise der Mäßigkeit ist unpraktisch. In den Vereinigten Staaten gab es auf der einen Seite Extremisten, die keine Steuern wollten. Die Extremisten auf der anderen Seite wollten eine Einkommenssteuer von 4%. Die Leute der Mitte sagten: „Laßt uns nun die Mitte einnehmen und eine Einkommenssteuer von 1% haben.“ Die 4%-Extremisten stimmten zu. – Und nach kurzer Zeit verlangten sie eine 10%-Steuer. Die mäßigen Leute baten nun um 5% , und es ging so weiter so lange, bis die mäßigen Leute um 40% bitten mußten!
(Steuern: https://pedrodesouza.blog/2018/01/01/steuern/ )
- Wenn ein Dieb käme, um all Ihr Eigentum zu stehlen und Ihre Kinder wollten ihm nichts geben, würden Sie dann die Position der Mitte einnehmen und ihm die Hälfte von dem geben, was er verlangt?
Die richtige Sichtweise ist, die Fakten nach logischen Gesetzmäßigkeiten zu beurteilen, und nicht danach, ob sie sich in der Mitte befinden!
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