Pedro de Souza

(…)

... Der (richtige) Egoismus

Ein rationaler Mensch muss ein egoistischer Mensch sein. Wir verstehen die Natur von Egoismus und Eigennutz richtig, wenn wir die folgenden beiden Fragen beantworten:

  1. Welches sind die richtigen Tätigkeiten und Werte für den Menschen?
  2. Wer soll der Nutznießer der Handlungen und der erreichten Werte sein?

Egoismus bezieht sich auf die zweite Frage. Eigennutz heißt, sich mit dem Selbstinteresse zu beschäftigen. Dabei geht es nicht darum, wie man seine Interessen verfolgen sollte. Egoisten streiten darüber. Es geht vielmehr um das Prinzip des Egoismus, das auf den Eigennutz der eigenen Handlungen ausgerichtet ist, um sich eigenen Wohlstand zu schaffen.

Es ist die moralische Pflicht des Menschen, für sich selbst zu sorgen. Deshalb soll er der Nutznießer seiner eigenen Handlungen sein.

Im Gegensatz dazu steht die verbreitete Auffassung, dass das, was ich tue, vor allem anderen zugute kommen sollte. Das ist die gängige Moral unserer Zeit.

Jeder ist verantwortlich für die eigenen Handlungen und ihr eigener Nutznießer. Für welche Werte setzt sich Eigennutz ein? Wie können wir Eigennutz begründen?

 

Man braucht Eigennutz zum Überleben, genau wie Ethik.

Egoismus ist die selbstverständliche Ableitung von dem Prinzip, dass das Leben der Standard der Werte ist, weil die Erhaltung des Lebens eine bestimmte Handlungsweise voraussetzt. Handelt man nicht danach, so ist das Leben in Gefahr oder sogar vernichtet.

Die Handlungen zur Lebenserhaltung müssen langfristig angelegt sein. Immer muss man sich so verhalten, dass das Leben gewährleistet ist. Es ist egal, wie lange man sich gut ernährt hat. Wenn man nur einmal Gift isst, dann ist das Leben verloren.

Jede Handlung hat einen direkten oder indirekten Einfluss auf das Leben, sie ist entweder dafür oder dagegen, sie fördert das Leben entweder oder sie behindert es.

Keine Handlung ist neutral oder gleichgültig. Selbst wenn man ruht oder nichts tut, kann es für das Leben sein oder dagegen. (Ausruhen nach der Arbeit ist positiv, Büroschlaf negativ, weil man die Stellung dadurch verlieren kann.)

Leben ist Bewegung, die entweder lebensfördernd oder lebensverhindernd ist.

Die negative Wirkung auf das Leben kann sich langsam über viele Jahre auswirken, so dass man es nicht deutlich merkt (bspw schlechte Ernährung). Aber alles kann rückgängig gemacht werden, wenn man sich entscheidet, ab heute rational zu leben.

Das eigene Leben ist das Ziel, das über alle anderen Werte bestimmt.

 

Wenn Selbstopfer als Ziel angenommen wird, wählen wir ein Anti-Lebens-Ziel.

Wer das eigene Leben nicht als Ziel seiner Handlungen wählt, der handelt nach dem Standard Tod. Ein solcher Mensch widerspricht den Grundvoraussetzungen seiner Existenz, und er kann nichts anderes finden als Leid.

Egoismus ist nichts Neues, es ist eine Voraussetzung des Lebens.

Was ist Eigennutz? Worin besteht Selbstinteresse? Es besteht im spirituell verstandenen Leben, nicht im Überleben um jeden Preis.

Mit welchen Mitteln erreicht der Mensch seinen Eigennutz?
Vernunft ist ein Mittel zu rationalem Eigennutz.

Das Wort Egoist ist heute ein Schimpfwort.
Welche falschen Vorstellungen von Egoismus verbergen sich hinter diesem negativen Urteil?

 

1.

Egoismus heißt nicht, dass man tun und lassen kann, was man will, dass man willkürlich seinen Gefühlen folgt und irrational handelt. Wenn man bei seinen Handlungen den Gefühlen folgt, bedeutet es nicht, dass man automatisch lebensfördernd handelt. Egoismus ist nicht Willkür.

 

2.

Egoismus bedeutet nicht, dass man andere für sich ausnutzt, dass man Selbstopfer erwartet, dass man die Werte, die andere für sich geschaffen haben, für sich ausbeutet. Solche Handlungsweise ist gegen das Leben, nicht nur für das Opfer, sondern auch für den Täter. Es ist gegen den Standard des Lebens. deshalb ist es gegen den Egoismus.

Der Mensch überlebt durch Denken und durch Produktion und nicht durch Beschlagnahmen der Werte anderer. (Warum nicht? Weil, wenn er alles beschlagnahmt hat, es nichts mehr gibt, wovon er leben kann, er überlebt letztendlich nur durch seine eigene Produktivität)

Der Mensch muss als ein unabhängiges Wesen leben. Durch freiwilligen Austausch von Werten, also durch Handel, kommt er in den Besitz der Werte anderer Menschen. Es ist ein Tausch durch gegenseitige Übereinstimmung.

Keiner opfert sich dabei für den anderen.

Ein rationaler Egoist lehnt das Prinzip „Opfer“ ab und zwar sowohl aktiv als auch passiv. Einige müssten immer Opfer sein, aber wer?
Ein rationaler Egoist ist gegen Masochismus und Sadismus.
Ein rationaler Egoist ist für Individualismus und Unabhängigkeit.

Ist Opfer in einem Interessenskonflikt unvermeidlich?
Es gibt keinen Konflikt zwischen den Menschen, die die Vernunft benutzen. Sie betrachten Menschen nicht als Opfertiere. Man muss es ausprobieren, um diese Tatsache zu erfahren. Es ist wie bei dem Tesafilm. Die Experten rätseln in endlosen Konferenzen, wie man ihn verpacken und verkaufen kann, damit er nicht verklebt. Beim Aufrollen würde alles zu einem unlösbaren Klumpen verkleben, dachten sie. Die Putzfrau aber probiert es aus  und siehe da, der Tesafilm lässt sich auf- und wieder abrollen.

 

3.

Der Egoist wird für selbststüchtig und subjektiv gehalten. Deshalb könne er z.B. nicht Wissenschaftler sein, denn die Suche nach der Wahrheit verlange Selbstlosigkeit. Ein Mensch mit einem Motiv verzerre die Wahrheit, weil er egoistisch sei, denkt man. Nur ein gleichgültiger Wissenschafler könne selbstlos sein und die Wahrheit finden, nimmt man an.

Unbewusst wird bei dieser Argumentation unterstellt, dass die Realität der Feind von Werten sei. Deshalb könne man nicht Werte suchen, wenn man nach der Wahrheit forscht und umgekehrt.

Wenn Werte aber rational sind, widersprechen sie nicht der Realität, sondern sie beruhen auf ihr.

Um Werte zu erhalten, müssen wir die Realität anerkennen. Werte bekommen wir nur durch Objektivität, nicht durch Subjektivität.

Eigennutz ist, mit der Realität möglichst konform zu gehen. Der Egoist bemüht sich um größtmögliche Objektivität. Wenn  es ein egoistisches Motiv ist, etwas zu wissen und danach zu handeln, dann ist die Motivation der entscheidende Ansporn für die objektive Tätigkeit.

Aber wenn man subjektiv ist, egolos und ohne persönliche Motivation, warum soll man sich dann anstrengen, um objektiv zu sein? Selbstlosigkeit ist der Feind von Objektivität. Nur ein egoistischer Mensch kann objektiv sein, wenn er nach den Tatsachen der Realität handelt.

 

4.

Man sagt, ein Egoist handele nach dem Augenblick, unabhängig von Prinzipien und Konsequenzen.

Das kann nicht sein, weil das Leben Prinzipien braucht, um langfristige Planung nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung zu machen. Ein eigennütziger Mensch akzeptiert das und weiß, dass seine Handlungen Konsequenzen haben. Er denkt langfristig. Er ist für seine Handlungen verantwortlich.

 

5.

Man sagt, ein Egoist habe keine Freunde und könne nicht lieben.

Diese Meinung setzt voraus, dass ein Eogist entweder brutal, ein Psychopath oder ein Einsiedler – also gleichgültig gegenüber anderen Menschen – ist.

Bei dem Satz „Ich liebe Dich“ kommt es entscheidend darauf an, wie man das Wort „ich“ sagt. Liebe ist eine Antwort auf Werte und zwar auf die allerhöchsten Werte.

Man glaubt, sie in dem Geliebten zu finden. Nur ein Egoist kann lieben.

Liebe und Freundschaft sind persönliche und eigennützige Werte. Man verspricht sich eine eigennützige Freude von der Gegenwart des Geliebten. Man sucht sein eigennütziges Glück.

Eine selbstlose und gleichgültige Liebe ist ein Widerspruch.

Das hieße, man wäre gleichgültig gegenüber dem, was man am höchsten schätzt. Wenn man sein Leben riskiert, um den Geliebten zu retten, dann ist das nicht Selbstopfer, sondern Eigennutz. Der Geliebte stellt einen so hohen Wert dar, dass man ihn für sich retten möchte. Liebe bezieht sich auf bestimmte Werte, die von bestimmten Personen verkörpert werden. Deshalb kann man nicht alle Menschen lieben (wie Erich Fromm behauptet), sondern nur einen ausgewählten Kreis mehrerer oder weniger Menschen.

 

6.

Man sagt, Egoisten würden Menschen nicht bei ihren Problemen helfen

Nur ein Egoist kann anderen helfen. Er lebt aus eigener Kraft, ist stark und hat deshalb die Mittel, um zu helfen. Ein Egoist hilft auch Fremden. Er tut es bewusst, weil er gegen Leid ist. Aber er macht Wohltätigkeit nicht aus Prinzip.

Zwei Eigenschaften hat die Hilfe des Egoisten:

a) Er hilft aus Großzügigkeit und nicht aus moralischer Pflicht.

b) Er hilft nicht Menschen, die übel sind. Er unterstützt nicht ihre üble Schwäche.

Weil in unserer heutigen Moralität Hilfe für den Schwächeren so großgeschrieben wird, muss hier ganz deutlich gesagt werden:

Der zentrale Punkt in der Ethik ist nicht die Hilfe, sondern die Leistung. Das menschliche Selbstwertgefühl stammt von Leistung und nicht von aufopfernder Hilfe. Helfen ist eine Nebensache in der Ethik. Es ist nicht der Sinn der Moral, weil Selbstwertgefühl nicht von Hilfe kommt.

Helfen ist nicht eine Haupttugend.

Wir helfen nicht aus Schuldgefühl, sondern weil wir gegen Leid sind. Die moralische Auffassung von Selbstopfer ist die Moralität des Todes. Sie ist gegen jede Tugend, jeden Wert und gegen die positive Einstellung, die das Leben braucht.

In der Moralität des Selbstopfers gibt es keine Leistung. Mit einer Mentalität des Selbstopfers kann man nicht von Unabhängigkeit reden.

Das Prinzip des Opfers ist nicht für Gerechtigkeit, weil die Tugendhaften die Leistung bringen müssen, um die Unproduktiven zu belohnen.

Seit Platon wird das Selbstopfer als moralischer Code akzeptiert und gepredigt. Der Leistungsfähige wird den Unproduktiven gleich gemacht, er wird auf ihr Niveau heruntergeholt.

Wenn Selbstopfer gut ist, dann fragen wir: Nach welchem Standard? Es ist gut für wen?

Schmerz, Leid und unbelohnte Pflicht sind die Begleitumstände der Ethik seit Platon.

Das Konzept „Pflicht“ kommt vom Code des Selbstopfers. Pflicht ist nicht eine moralische Notwendigkeit, sie ist Gehorsam gegen eine höhere Autorität ohne Rücksicht auf persönliche Ziele, Wünsche, Interessen und Motive. Die Grundidee der Pflicht ist, dass es bestimmte Dinge gibt, die man tun muss, weil eine höhere Autorität das sagt und zwar ohne Begründung. Persönliche Ziele sind irrelevant im Codex der Pflicht. Wenn man für die persönlichen Ziele handelt, dann ist man amoralisch im Sinne der Pflichtmoralität. Diese Moralität verlangt Selbstlosigkeit in der Ethik des Opfers. Man muss selbstlos sein und der Autorität gehorchen. (siehe Fehlschlüsse in der Logik-19)

 

Durch das Prinzip „Pflicht“ wird das Prinzip der objektiven Werte angegriffen, weil es das Prinzip „Vernunft“ angreift. Die Pflicht-Ideologie verlangt blinden Gehorsam ohne Begründung. Das ist gegen die Vernunft.

Wer ist der Nutznießer dieser falschen Ideologie? Keiner! Denn es gibt auch keine Ziele. Es ist eine intrinsische Ansicht, bei der nicht gefragt wird: Gut für wen?

 

Das richtige Prinzip ist Kausalität.

Um bestimmte Ziele zu erreichen, brauchen wir bestimmte Mittel. Für eine bestimmte Wirkung müssen wir eine bestimmte Ursache in Gang setzen. Deshalb gibt es viele Dinge, die wir tun „müssen“. Die Realität erlegt uns viele „Muss“ auf.

Was ist hier der Unterschied zur Pflicht?

Das kausale „Muss“ ist bedingt, es hat einen Grund: Wenn ich etwas Bestimmtes erreichen will, muss ich etwas Bestimmtes tun. Wenn ich essen will, muss ich arbeiten. Um sinnvoll zu arbeiten, muss ich denken usw.

Gott sagt: Nimm, was du willst und zahle dafür, den Preis bestimmt die Realität = Gott. Ich darf handeln, wie ich will, wenn ich bereit bin, den Preis zu bezahlen.

Wenn ich leben will, gibt es bestimmte Prinzipien, denen ich dann folgen muss. Das ist ein Muss mit Bedingung, keine Pflicht, die ohne Begründung ist.

Die Moralität der Vernunft gründet auf der Tatsache, dass das Universum mit seinen ganz bestimmten Gesetzen existiert und wir nur die Wahl haben, uns nach den Gesetzen zu richten oder nicht, d.h. Leben oder Tod.

 


https://pedrodesouza.blog/vortrag-ethik-und-moral-1/

https://pedrodesouza.blog/vortrag-ethik-und-moral-2/

https://pedrodesouza.blog/vortrag-ethik-und-moral-3/

https://pedrodesouza.blog/vortrag-ethik-und-moral-4/