Pedro de Souza

Ehrlichkeit heißt, dass wir Werte nicht durch Betrug gewinnen.

Keine Religion greift offiziell Ehrlichkeit an, aber die Begründung ist anders als bei der Integrität:

Nach einem altruistischen Weltbild muss man ehrlich sein, weil man sonst andere verletzt, wenn man ihnen ihre Werte nimmt. Man muss ein Selbstopfer bringen und diese Versuchung ausschalten, um dem Nachbarn zu helfen.

Altruismus: https://pedrodesouzablog.wordpress.com/2017/08/19/altruismus/ und https://pedrodesouzablog.wordpress.com/2017/08/26/recht-und-altruismus/

In meiner Philosophie ist Ehrlichkeit eine egoistische Tugend.

Wir sind ehrlich aus egoistischen, eigennützigen Gründen.

Wir lügen nicht, weil z.B. ein Lügner von anderen abhängig ist.

Sein Erfolg hängt davon ab, dass die anderen glauben, was er sagt, dass sie seine Lügen glauben. Er ist also von der Blindheit der anderen Menschen abhängig und hat Angst vor ihrer Intelligenz.

Diese Art der Lebensführung (Lügen) ist nicht pro Leben.

In manchen politischen Systemen kann man nicht die Wahrheit sagen, weil man sich schützen muss. Aber im richtigen System – welches auf der Realität der Existenz und auf Vernunft und Logik gründet – braucht niemand zu lügen.

Die Wahrheit sagen heißt nicht, dass man andere beleidigen muss. Wahrheit ist eine Tugend, aber Rücksicht und Liebe sind auch Tugenden.

Diese Tugenden sind objektive Prinzipien innerhalb eines Kontextes. Sie sind nicht intrinsische Pflichten, die wir immer und unter allen Umständen ausüben sollten.

Z.B. … Stellen Sie sich ein Baby vor. Es kommt ein Mörder und will es umbringen. Er fragt, wo das Baby ist. Sie wissen, er hat ein Messer in seiner Hand. Sie wissen, wo das Baby ist, sagen aber nicht: „Bitte hier, dritte Tür rechts“, nur weil Sie ehrlich sind. Das ist nicht, was mit Wahrheit gemeint ist. Sie müssen den Kontext berücksichtigen.

Das Prinzip ist nur: Sie dürfen nicht Werte durch Betrug gewinnen, das ist der Maßstab.

Aber Ihre Werte zu schützen, zu bewahren, zu behalten, und zwar vor Gewalt, z.B. vor Diktatoren und Verbrechern, in den Fällen, in denen Ihre Ehrlichkeit eine Waffe gegen Sie selbst ist, und in denen Ihre Ehrlichkeit dem Übel dienen würde auf Kosten Ihrer schuldlosen Tugenden, in diesem Fall haben Sie das Recht und die Pflicht, zu lügen, und das, ohne Schuldgefühle zu haben.

Beispiel: Jemand wollte Christus auch im Stich lassen. Er fragte Christus: „Sollen wir die verhassten Steuern an Cäsar zahlen?“ Wenn Christus „Ja“ sagt, dann ist die Bevölkerung gegen ihn, weil alle die Steuern hassen. Wenn er „Nein“ sagt würde er sofort nach Rom geschleppt werden. Diese Frage wurde von einem Spitzel gestellt. Christi Antwort war sehr clever: „Zeig mir die Münze. Sie trägt das Bild von Julius Cäsar. Also zahle an Cäsar, was Cäsar gehört und an Gott, was Gott gehört. (Mk 12, 13-17)“

Zahlen Sie Gott, was Gott gehört und dem Finanzamt, was dem Finanzamt gehört. Fragen Sie Ihren Steuerberater.

Wenn Sie nicht zahlen, werden Sie verhaftet werden. Das ist Gewalt. Sie müssen sich schützen.

(…)

Wenn Sie die Wahrheit sagen, haben Sie eine bestimmte Ausstrahlung. Man merkt es auch bei Fremden. Als ich z.B. in Goa auf einen Bazar ging, bezahlte ich mit einem größeren Schein. Die Verkäuferin hatte kein Geld zum Herausgeben. Ich sagte, ich gehe weiter und mache meine Einkäufe und bringe das Kleingeld auf dem Rückweg vorbei. Sie kannte mich nicht. Ich ging weg mit der Ware. Sie sagte OK,…  eine total fremde Frau! Ich ging weiter, bezahlte später. Ich hätte genauso gut wegbleiben können.

Was war passiert? Es ist die Ausstrahlung. Sie merken an der Ausstrahlung, was jemand getan hat. Einzelne Dinge ändern nicht Ihre Ausstrahlung. Aber das eskaliert, je öfter Sie Ehrlichkeit bzw Lüge praktizieren und dann merkt man es sofort.

Wenn Sie jemanden betrogen haben, verändert sich Ihre Ausstrahlung. Bestimmte Leute merken das. Der Verstoß gegen die eigenen Werte schadet einem selbst.

(…)