Pedro de Souza

Integrität bedeutet nicht Aufrichtigkeit, es bedeutet nicht, man muss treu zu seinen Gefühlen sein, sondern:

Man muss treu zu seinen rationalen Werturteilen sein.

Ein Mensch ist rational und hat seine rationale Fakultät benutzt. Er ist zu bestimmten Schlussfolgerungen gekommen, und er handelt dann nach diesen Schlussfolgerungen.

Das ist Integrität. Man opfert seine rationalen Gedanken nicht. Man macht keinen Kompromiss.

Das Gegenteil von Integrität ist Heuchelei.

Wir denken. Warum denken wir? Damit es Richtlinien für unser Handeln gibt. Wenn wir anders handeln, als es unsere Gedanken erzählt haben, dann gibt es einen Zwiespalt zwischen Gedanken und Handlungen. Das macht die Gedanken dann ungültig.

Nach unserer Metaphysik haben wir festgestellt, dass wir ein integriertes Wesen sind: Geist, Seele und Körper sind eins. Deshalb machen wir keine Trennung, keinen Zwiespalt zwischen unseren Ideen und unseren Handlungen.

Integrität scheint eine gute Tugend zu sein und man glaubt, das würde akzeptiert und gefordert werden. Das ist leider nicht der Fall. Diese Tugend wird angegriffen. Wenn Sie von Integrität reden, dann sagen die Leute sofort, das sei unmenschlich und unmöglich.

Integrität ist nicht ein automatischer Wert. Wir müssen wählen.

Das ist auch eine Folge des Freien Willens. Wir müssen wählen, Integrität zu üben.

Die religiösen Leute sagen: Es gibt das Problem der Versuchung. Nach diesem religiösen Standpunkt muss man versuchen, soviel wie möglich sich gegen diese Versuchung zu stemmen, aber auf die Dauer geht das nicht.

Sie wissen, in der Bibel steht ein Paragraf von Paulus. „Ich verstehe nicht, was ich mache“, sagt Paulus. „Ich weiß nicht, was ich tue, ich kann meinen Willen benutzen, aber ich kann nicht tun, was richtig ist. Ich tue nicht die guten Dinge, die ich tun will, dafür tue ich die falschen Dinge, die ich nicht tun will. Was für ein verwerflicher Mensch bin ich!“

Das ist das Problem von Paulus. Der Grund für dieses Problem ist der Zwiespalt, die Idee, dass Seele und Körper getrennt und widersprüchlich sind, dass sie miteinander kämpfen müssen. Das, was gut ist, gehört der Seele und das, was schlecht ist, gehört dem Körper. Das ist die Grundidee dieser Aussage und meint, dass das Gute Selbstopfer und Pflicht sei.

In diesem Codex von Selbstopfer und Pflicht kommt natürlich die Versuchung, sich nicht zu opfern und nicht die Pflicht zu erfüllen, seine eigenen Werte zu suchen und das Leben zu genießen.

Wenn Moralität und Ethik gegen den Menschen und das Leben sind, dann gibt es immer Versuchungen.

Aber wenn wir diesen Sele-Körper-Zwiespalt und Altruismus – also die Ethik vom Selbstopfer – ablehnen, dann gibt es keine Versuchung, diese Ethik zu verletzen. Dann ist das Übel nicht anziehend. Übel hat keine Vorteile, es zieht uns nicht an, es führt nur zur Selbstvernichtung.

Z.B. auf dem Gebiet der Ernährung: Haben Sie die Versuchung, Gift zu essen? Ich definiere Gift als etwas Lebensvernichtendes, sofort und nicht auf die Dauer. Sie haben bestimmt keine Versuchung, solch ein Gift zu essen.

Eigentlich gibt es keine Versuchung auf diesem Gebiet. Es gibt keine Versuchung, wie James Taggart zu sein (aus Ayn Rand: Der Streik).

Dieses Versuchungsproblem kommt von den Intrinsikern.
https://pedrodesouzablog.wordpress.com/vortrag-ethik-und-moral-2/

 

Nun kommt das Problem der Subjektivisten, besonders der Sozialsubjektivisten.
Es ist der Kompromiss.
https://pedrodesouzablog.wordpress.com/schriften-logik-11/

Die Subjektivisten meinen, sie müssen nachgeben. Wie können sie sonst mit anderen zurechtkommen? Jeder muss sich frei fühlen, zu leben, wie er will und zu behaupten, was er will, sagen die Subjektivisten. Alle Wünsche seien ebenbürtig. Deshalb müsse jeder ein bisschen nachgeben. Jede Behauptung sei gleichwertig. Deshalb sei die Integrität zu unflexibel, hart und unmenschlich, unpraktisch und antisozial usw.

  • Frage: Um integer sein zu können, muss man unabhängig sein?

Das ist unsere erste Tugend, unabhängig zu sein, zu denken, frei zu sein, durch seine eigenen Gedanken Brot zu verdienen, nicht zu schmarotzen. Das ist eine Tugend.

  • Frage: Gibt es Umstände, unter denen man sich anpassen muss?

Wenn man im Büro arbeitet, müssen Sie tun, was der Chef sagt, denn er bezahlt Sie. Es sei denn, er sagt: „Überfallen Sie eine Bank“. Das ist etwas anderes. Sie werden für Ihre Arbeit bezahlt. Wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie anderswo hingehen.

Sie müssen wissen, wann es um einen Kompromiss geht und wann nicht. Wenn Sie z.B. auf einem Flohmarkt handeln, ist das kein Kompromiss, sondern ein freiwilliger Handel. Wenn ein Dieb kommt und sagt: „Gib mir einen Euro und ich lasse Dich in Ruhe“, dann ist das ein Kompromiss, auch wenn es nur um einen Euro geht.

Wo ist der Unterschied? Welches Prinzip ist verletzt worden? Der Dieb hat das Recht auf Eigentum verletzt. Das nächste Mal will er mehr. Beim Prinzip des Eigentumsrechts hätten wir also einen Kompromiss gemacht, hier sollten wir aber keinen Kompromiss machen.

  • Was ist, wenn er sagt: „Gib mir das und das, oder ich erschieße dich?“

Er sagt: „Leben oder Portemonnaie!“ Das ist keine Wahl, das ist Zwang. Sie müssen das Portemonnaie geben. Das ist kein Verzicht auf Prinzipien. In diesem Fall ist das Leben wichtiger als das Portemonnaie.

Man muss wissen, wie man die Integrität benutzt.

Wenn der Chef etwas Falsches erzählt, ist es nicht Ihre Pflicht, ihn aufzuklären. Das ist nicht Ihre Aufgabe. Sie werden dafür bezahlt, um zu arbeiten. Das müssen Sie tun. Sie arbeiten, und am Ende des Monats bekommen Sie Ihr Gehalt. Sie können die Arbeitsstelle wechseln, wenn sie wollen.

Üben Sie Discretio (Unterscheidungsvermögen)

https://pedrodesouzablog.wordpress.com/2017/12/25/discretio-unterscheidungsvermoegen/

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Es darf keinen Kompromiss geben, was das (1) Recht auf Leben betrifft und das nachfolgende (2) Recht auf Eigentum.

Wer siegt bei einem Kompromiss zwischen dem Guten und dem Übel?

Nur das Übel siegt.

Bei einem Kompromiss zwischen Lebensmittel und Gift ist der Tod, das Gift, der Sieger.

Wenn wir einen Kompromiss machen, dann heißt das, dass wir die Rolle des Prinzips im menschlichen Leben nicht erkennen.

Die Leute, die Kompromisse machen, glauben, man könne die rationalen Prinzipien ignorieren. Sie meinen, sie könnten mit irgendwelchen ideologischen Gruppen zusammenarbeiten.

Diese Leute meinen, es gibt nicht schwarz und weiß, sie meinen, man müsse grau sein. Das ist grausam.

Das Übel siegt, weil es zu viele graue Menschen gibt, die Kompromisse machen.

Weil wir schweigen und die grauen Leute schweigen, deshalb können die üblen Leute weitermachen, was sie wollen.

Wenn unser Leben der Maßstab ist, dann ist es notwendig, Integrität als Tugend zu üben.

(…)