aus Die Johannes-Herodes-Gespräche
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Eines anderen Tages trafen sie erneut zum Gespräch zusammen.
Herodes: „Johannes, ich möchte, dass die vielen Völker wirklich zusammenwachsen.
Ich werde dafür sorgen, dass die belohnt werden, die einen Ehepartner aus einer anderen Nation heiraten. So wird Friede zwischen den Völkern entstehen und sie werden sich nicht länger bekämpfen und natürlich auch mich nicht bekämpfen.“
Johannes: „Frage dich zuerst, was du wirklich erreichst damit.“
Herodes: „Was ich dir sagte: Frieden und Völkerverständigung.“
Johannes: „Das ist ein gutes Ziel, das mit anderen Mitteln besser erreicht werden kann – nicht durch bunte Vermischung aller Völker. Lass mich dir zuerst berichten: In früheren Zeiten wurden andere Nationen erobert und als Gefangene ins eigene Land gebracht, damit sie die Arbeit auf den Feldern verrichten. Sie waren Sklaven und hatten kein Selbstbewusstsein.
Später machte Augustus keinen Krieg mehr, lud aber alle Ausländer als Gäste nach Rom ein. Sie wussten, dass Rom angesehen war und wollten von diesem Ansehen einen Glanz abbekommen, indem sie dort lebten. Sie durften kommen, wenn sie bereit waren, freiwillige Sklaven zu sein. Sie kamen aber nicht aus ihrem Selbstbewusstsein heraus nach Rom, sondern aus ihrem fehlenden Selbstbewusstsein.
Was war Augustus’ Ziel? Friede und Völkerverständigung? Das sagt er und gleichzeitig freut er sich, dass er die Nationen nicht mehr mit Kriegen erobern musste, um ihr Herrscher zu sein. Er lud sie einfach ein. Er sagte zu den Römern, sie sollen nicht gegen diese Ausländer sein, sondern sie willkommen heißen. Nun war er Herrscher über andere Nationen geworden, ohne Krieg führen zu müssen.
Dient das tatsächlich dem Frieden und der Völkerverständigung? Die neuen Mitbürger haben ihre Identität verloren. Sie sind nicht mehr stolz auf das, was sie sind, sondern bemühen sich, gute Römer zu werden. Dadurch geht ihre ursprünglich Kraft und ihr Geist, ihre Kultur und ihr Stolz verloren. – Ja, es gibt einstweilen keinen Krieg mehr, – ja, es gibt eine gewisse Verständigung, aber zu welchem Preis? Zum Preis der Gleichmacherei, zum Preis der Schwächung einst starker Völker und Kulturen.“
Herodes: „Aber es ist doch wichtig, dass kein Krieg mehr herrscht und die Völker sich verstehen.“
Johannes: „Das kann auch einfach mit Respekt vor der andersartigen Einmaligkeit eines anderen Volkes erreicht werden. Einfach mit den Gesetzen des jus naturale. Dadurch behalten alle Völker ihre ureigene Besonderheit und Kraft.
Gott hat verschiedene Völker erschaffen. Sie sollen nicht durch fortwährende Eroberungen ausgelöscht werden. Sieh Karthago! Nach dem dritten punischen Krieg wurden die Männer von den Römern vernichtet. Die Frauen wurden Sklavinnen in Rom. Das Volk hat aufgehört, zu existieren.
Oder sieh den Untergang des Volkes durch den Ägyptenfeldzug von Cäsar! Eine leistungsfähige Generation hört auf, sich fortzupflanzen, und damit sind auch die Leistungen beendet, die für dieses Volk kennzeichnend sind. Niemand mehr wird ägyptische Pyramiden bauen! Und mit den Bauherren geht auch die Technik verloren. Andere können Theorien über die Technik entwickeln, aber es wird kein menschliches Wesen mehr geben, das sagen kann, wie sie erbaut wurden.
Das Geistige ist an den Körper gebunden und mit dem Tod des letzten Paares eines Volkes stirbt auch der überlieferte Gedanke. Nur das in seiner Eigenart fortgesetzte Volk lebt weiter, wirkt weiter, leistet weiter. Deshalb ist es nötig, die Völker in ihrer individuellen Besonderheit zu erhalten, wenn ihre Leistungsfähigkeit fortgesetzt werden soll.“
Herodes respektierte Johannes, weil er wusste, dass dieser ein gerechter und heiliger Mann war und er gab Acht auf ihn. Er hörte ihn gerne. Doch er war verwirrt und gestört in seiner eigenen Überzeugung, was ihn beunruhigte und verärgerte. Und er fuhr fort, das zu tun, was er immer getan hatte.
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