Pedro de Souza

Ethik und Moralität beantwortet die Frage, wie sich der Mensch unter den unabänderlich gegebenen Grundvoraussetzungen richtig verhält, damit er glücklich wird.

Ethik ist ein Code von Werten, der uns bei der Wahl unserer Werte hilft. Ethik bietet Richtlinien für die Entscheidung jedes Einzelnen.

  1. Was sind Werte und wozu brauchen wir sie?
  2. Welche Werte wollen wir wählen?
  3. Ist die Ethik notwendig oder ist sie entbehrlich?

Werte sind alles, was ein Mensch tut, um etwas zu besitzen oder zu erhalten. Werte stellen das Ziel unserer Handlungen dar (Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheit, Wissen, Ruhm usw).

Die Suche nach Werten ist von zwei Voraussetzungen abhängig.

  1. Es muss einen Bewerter geben, der die Werte sucht. Er muss fähig sein, zielgerecht zu handeln, so dass er die Werte auch erreichen kann, für die er sich entschieden hat.
  2. Werte setzen eine Alternative, eine Wahl voraus. Es müssen verschiedene Möglichkeiten der Wahl vorhanden sein. Jede Wahl macht dann andere Handlungen erforderlich. Für jedes Ziel muss man anders handeln. Man muss sich entscheiden. Ohne handeln zu müssen wäre das Konzept „Werte“ sinnlos. Wenn es garantiert wäre, dass man etwas erreicht, egal wie man handelt, dann wäre das Konzept „Werte“ irrelevant. Dann gäbe es keine Alternativen und somit auch keine Werte.

Beispiel: Das Gesetz der Gravitation bietet keine Alternative. Es ist eine physikalische Tatsache. Sie ist nicht zu bewerten. Man kann nicht fragen, ob es sich lohnt, dieses Gesetz zu suchen. Es ist da. Man hat keine Alternative. Das Gesetz kann nicht vermieden oder als gut oder schlecht bewertet werden.

Werte sind nur möglich bei Sachverhalten, die Alternativen haben, nicht bei Naturgesetzen.

Nur Lebewesen erfüllen diese beiden Voraussetzungen, dass sie einerseits unter Alternativen nach Werten suchen können und andererseits zielgerichtete Handlungen in Gang zu setzen vermögen, um die gewählten Werte zu erreichen. Die Handlungen müssen selbstbestimmt und zielgerichtet sein.

Pflanzen funktionieren nur nach ihrer Natur. Sie haben keine Wahl. Aber sie handeln zielgerichtet, damit ihr Leben erhalten wird. Eine Pflanze hat keine Möglichkeit, willentlich etwas gegen ihre Lebensfähigkeit zu unternehmen.

Ein Lebewesen ist nicht passiv. Es muss handeln, um sein Überleben zu sichern.

Dabei muss zielgerichtetes Handeln nicht unbedingt bewusst sein. Die Lebenserhaltung kann automatisch funktionieren. Die Natur der Handlung ist die Lebenserhaltung. Sie ist einprogrammiert. Hier gibt es keine Alternative.

 

Nur wenn es Alternativen gibt, sind Werte möglich. Nur Lebewesen sind mit Alternativen konfrontiert.

Für alles Lebendige gibt es eine Grundalternative: Existenz oder Nichtexistenz, Leben oder Tod.

Leben kann vernichtet werden, sein Weiterbestehen kann jederzeit unterbrochen werden. Mit der Grundalternative Leben oder Tod ist jedes Lebewesen ständig konfrontiert. Wenn es nicht für die Lebenserhaltung sorgt, dann stirbt es.

Diese Tatsache hilft uns, die Natur der Werte zu verstehen. Die Lebenserhaltung bildet letztendlich das Ziel aller Handlungen und somit den Urgrund für alle Werte. Jedes Lebewesen muss handeln, um das Leben zu erhalten. Wenn es versagt, dann stirbt es.

Leben ist eine bestimmte Art von Bewegung. Das Gegenteil davon ist Stillstand, ist Tod. Im Tod hat die lebenserhaltende Tätigkeit aufgehört. Wenn man sterben will, muss man aufhören, zu handeln.

Tod oder Leben ist die fundamentale Alternative, von der alle anderen Alternativen abhängen. Wenn es diese Grundalternative nicht gäbe, wäre die Suche nach Werten nicht möglich.

Wenn unser irdisches Leben durch Unsterblichkeit garantiert wäre, dann wären Werte weder notwendig noch möglich. Stellen wir uns ein unsterbliches Lebewesen vor. Sein Leben ist durch keine Gefahr bedroht, weder durch Hunger noch durch Krankheit. Es kennt keinen Schmerz und keine Not. Es gibt keine Bedrohung seines Leben. Wofür sollte es handeln? Warum sollte es sich anstrengen? Was könnte ihm ein Wert sein?

Ohne die Alternative von Leben und Tod gibt es keine Werte und kein Glück.

Glück ist ein Gefühl, das sich einstellt, wenn wir erfolgreich gehandelt haben und einen Wert erreicht haben.

Für das unsterbliche Lebewesen gibt es kein Glück, weil es kein Bedürfnis für Werte hat. Nur das Konzept Leben/Tod macht das Konzept ‚Wert‘ möglich und notwendig.

Ein Universum  von unsterblichen Lebewesen würde keine Verwendung für einen Code von Werten haben. Das Leben ist der Standard für die Werte. Nach dem Leben wird bemessen, was gute oder schlechte Werte sind. Lebensfördernde Werte sind gut, lebensvernichtende Werte sind schlecht. Die Erhaltung des Lebens ist der höchste Wert, weil Leben die Voraussetzung für alle spirituellen Bestrebungen ist.

Wir suchen Werte, um zu leben. Auf der körperlichen Ebene ist das höchste Ziel die Lebenserhaltung. Das Leben ist die Voraussetzung für das Konzept „Wert“.

Pflanzen und niedere Tiere tun automatisch das Richtige zur Lebenserhaltung. Nur bei äußeren Beeinträchtigungen (Trockenheit, Zerstörung der Umweltbedingungen) können sie nicht reagieren.

Bei seinem Bemühen, zu überleben, kann der Mensch nicht automatisch richtig handeln. Er hat keinen Instinkt, keinen automatischen Code der Werte. Der Wunsch zu leben ist nicht Instinkt.

Zu lernen, wie man lebt, ist eine Leistung, die mühsam erworben werden muss. Das führt zu Ethik und Moralität.

Wir halten das Leben nicht automatisch für einen Wert. Wir wissen nicht automatisch, was wir zum Weiterleben brauchen. Aber wir müssen es wissen. Deshalb müssen wir es lernen. Mit diesen Kenntnissen werden wir nicht geboren.

Wir müssen nach einem Code der Werte handeln. Welcher ist richtig? Welcher ist für das Leben?

Tiere und Pflanzen brauchen auch Werte, aber nur der Mensch braucht moralische Werte, weil er Freien Willen hat und auch lebensverneinende Werte wählen kann.

Moralische Werte sind eine Untergruppe der Werte allgemein. Moralische Werte nehmen wir

  1. freiwillig an, und es sind
  2. fundamentale Werte. Sie entscheiden den ganzen Kurs des Lebens, seinen Lebensstil und seinen Rahmen.

Die Grundlage und der Standard für moralische Werte ist die Vernunft.

 

 Ein moralischer Code ist ein rationaler Code.

Im Gegensatz dazu könnte man auch Gefühle, Zeitgeist oder Mehrheitsmeinungen zum moralischen Standard erheben.

Moralische Werte dienen dem Leben.

Da unser einziges Mittel zum Überleben die Anwendung der Vernunft ist, müssen moralische Werte auf Vernunft beruhen.

Wir brauchen Prinzipien, die sich nicht widersprechen und die helfen, das Leben langfristig zu planen und unser Handeln zielsicher zu machen, damit wir nicht von kurzfristigen und sich widersprechenden Wünschen hin und her geworfen werden.

Widersprüche gibt es in der Realität/Existenz nicht.
Das Leben/die Existenz ist harmonisch geordnet.

Diese ewigen Prinzipien muss der Mensch entdecken und sein Leben langfristig danach einrichten. Handlungen müssen geplant und integriert sein. Dabei müssen die Konsequenzen für das Leben bedacht werden: Denn Vernunft ist das Mittel zum Überleben. Man muss wissen, welche Handlungen für das Leben und welche dagegen sind. Man braucht dazu abstrakte Prinzipien. Der Mensch muss diese harmonischen Prinzipien entdecken. Danach kann er sein Leben langfristig schützen und sein Überleben gewährleisten.

 

Ethik braucht das Leben in seiner spirituellen Ganzheit als Hintergrund und Standard, nicht nur das Überleben.

Wenn es nur ums Überleben ginge, dann könnte man ethische Maßstäbe auch durch willkürliche Entscheidungen und Übereinkünfte finden. Überleben könnte man auch durch eine Moral des Plünderns oder der Vorherrschaft von Gefühlen.

Aber Überleben um jeden Preis ist nicht gemeint, sondern der Mensch soll als rationales und produktives Wesen sein Leben gestalten. Deshalb braucht er einen Code der Werte.

Ethik und Moralität sind kein Luxus, sie sind Notwendigkeiten, ein unabdingbares menschliches Bedürfnis. Der Grund liegt in der Natur der existentiellen Gegebenheiten: Den Tatsachen der Realität und der Natur des Menschen. Diese beiden Faktoren verlangen vom Menschen eine ganz bestimmte, die Gesetze dieser Gegebenheit beachtende Handlungsweise. Sonst stirbt er. Deshalb braucht der Mensch Moralität und Ethik.

Es ist nicht richtig, wie Dostojewski sagt, „Wenn es keinen Gott gibt, brauchen wir keine Moralität“. Das stimmt nicht. Irgend eine Form von Moralität braucht man zum Zusammenleben auf jeden Fall. Im wesentlichen gibt es drei Angebote:

Angebot 1:

  • Gott sagt, was Moralität ist, und die religiösen Experten sind es, die es der Gemeinschaft weitervermitteln. Sie stellen Moralität als göttliches Gesetz, als fraglos gegebene Autorität dar, die sie oft selbst willkürlich bestimmen, …
  • … denn Gott selbst würde seine moralischen Forderungen erklären und begründen. Sein Kosmos ist vernünftig geordnet, weshalb Er alle Forderungen begründen könnte. Er will, aber, dass wir „freiwillig zu ihm kommen“.
  • Dies bedeutet, wir müssen die in der kosmischen Ordnung enthaltenen moralischen Anforderungen selbst herausfinden und uns ihnen freiwillig unterziehen, und zwar deshalb, weil sie vernünftig sind.

Angebot 2:

  • Eine andere Autorität für das Setzen moralischer Werte wäre die Gesellschaft. Auch hier ist oft Willkür am Werk, weil die vernünftige Basis fehlt, das Wissen um die kosmischen Gesetze der Realität.

Angebot 3:

  • Die dritte „Autorität“ für moralisches Verhalten sind die spontanen Gefühle jedes Einzelnen. Auch hier sind der Willkür Tür und Tor geöffnet.

(…)

 


 

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