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aus: Die Johannes-Herodes-Gespräche
https://pedrodesouza.blog/die-johannes-herodes-gespraeche/

Eines Tages unterhielt sich Herodes mit seinem Weib.

Herodes: „Liebes Weib, dein derzeitiger Lebenswandel kostet viel Geld. Ich werde die Steuern erhöhen.“

Herodias: „Gut, aber die Leute sind so arm, sie werden noch ärmer werden und sich dann gegen dich wenden. Das wird uns in Gefahr bringen.“

Herodes: „Moment! Ich werde sie nur von 2% auf 10% erhöhen.“

Herodias: „Es wird Proteste geben.“

Herodes: „Natürlich. Dann reduziere ich sie von 10% auf 3% und alle werden sehr zufrieden sein. Das ist das, was ich wollte: 3%.“

Herodias: „Wie lange wird es bei 3% bleiben?“

Herodes: „Bis zum nächsten Jahr. Dann kündige ich an, die Steuern auf 15% zu erhöhen und dann reduziere ich sie auf 4% und so werde ich fortfahren.“

Herodias: „Denkst du nicht, dass das Volk deine Strategie bemerken wird?“

Herodes: „Ich erzähle dir eine Geschichte, Herodias, meine Liebe: Ein Bauer hatte einen Frosch. Den Frosch setzte er in einen Kochtopf. Der Topf war offen, aber der Frosch wurde gekocht. Ein Freund fragte: ‚Wieso ist der Frosch nicht aus dem Kochtopf herausgesprungen?’ Der Bauer sagte: ‚Ich habe die Temperatur immer nur um ein Grad erhöht. So hat der Frosch nichts gemerkt.’“

Herodias: „Du bist sehr schlau, mein Gemahl. Und auch ich habe eine glänzende Idee: Du kannst die Reichsten mit 30% Steuern belasten. Nur die Reichsten, die mehr als 100000 Dinare pro Jahr verdienen. Das wird dem armen Volk gefallen. Die brennen vor Neid auf die Reichen und werden dir huldigen, Herodes. Die Massen werden voller Lob deinen Namen rufen.“

Herodes: „Das klingt gut, Weib, aber ist das nicht unfair?“

Herodias: „Nein, das ist nicht unfair, weil es sich nur auf 3% der Bevölkerung bezieht. Wer mehr verdient, muss mehr bezahlen. 97% des Volks werden dir zustimmen, wenn du dieses Gesetz erlässt. Wer mehr verdient, soll mehr bezahlen. Das ist gerecht. Gib den Reichen ein schlechtes Gewissen und den Armen den Neid, dann wirst du erfolgreich sein.“

 


Herodes erzählt Johannes von seinem Vorhaben.

Johannes: „Das bedeutet, dass die Reichen mehr bezahlen sollen? Sie bezahlen damit automatisch auch mehr für Sandalen, Brot und Togas als die anderen Menschen. Das ist nicht gerecht, das ist Diebstahl, es ist unmoralisch, Herodes.“

Herodes: „Aber die Armen werden entzückt sein.“

Johannes: „Weil sie neidisch sind, sind sie entzückt, nicht weil es gerecht ist.“

Herodes: „Das ist egal, Hauptsache, sie sind für mich. Wenn 97% für mich sind, ist es mir egal, aus welcher Motivation heraus sie mich lieben.“

Johannes: „Es wird ihnen nichts nützen. Auch in Rom wurde es eingeführt, dass die Reichen mehr bezahlen müssen. Und nur die sehr Reichen wurden zur Kasse gebeten, nicht aber die Mittelreichen und die Armen. Das gefiel den Mittelreichen und den Armen, denn sie waren neidisch und sie hatten einen Vorteil dadurch, ohne selbst eine Leistung erbringen zu müssen.

Dann aber wollte Cäsar auch Steuern von den Wäschern, die zu den Mittelreichen gehörten. Sie wuschen die Togas, indem sie sie in Urin reinigten. Bis dahin hatten sie keine Steuern bezahlen müssen. Nun aber waren sie verärgert und die Vertreter der Wäscher gingen zu Cäsar, um sich zu beschweren und sagten: ‚Wir verdienen zwar Geld, aber wir verdienen es mit harter und stinkender Arbeit, es ist nur gerecht, dass wir keine Steuern zahlen müssen.’ Und Cäsar hatte geantwortet: ‚Pecunia non olet. Geld stinkt nicht.’ So wurden mehr und mehr Menschen besteuert, und zum Schluss auch die Armen, die sich vorher noch über die Steuern der anderen gefreut hatten. Wegen ihres Neides mussten nun auch sie an die Obrigkeit von ihrem Eigentum abgeben. Es wäre besser gewesen, die 97% hätten vorher nicht zugestimmt. Aber sie waren unwissend.“

Herodes: „Papperlapapp. Rom ist nicht Palästina. Sei ohne Sorge, die Steuern betreffen die 97% der Bevölkerung nicht. Und diese 97% werden das, was du Diebstahl nennst, für sozial gerecht halten. Hier werden nur die ganz Reichen besteuert und das wird sehr gut gehen.“

Johannes: „Das ist Rassismus, was du da betreibst.“

Herodes: „Wieso Rassismus?

Johannes: „Es ist wie ethnischer Mord.“

Herodes: „Johannes, das ist doch kein Mord!“

Johannes: „Es ist wie ein ethnischer Mord! Die Ursache ist die gleiche.“

Herodes: „Aber es wird doch niemand getötet!“

Johannes: „Du handelst aus dem selben Grund, wie die ethnischen Mörder. Wer zu einer bestimmten Rasse oder Bevölkerungsgruppe gehört, wird besteuert, wer nicht dazu gehört, ist davon nicht betroffen. Es werden nur bestimmte Leute besteuert, die zu einer bestimmten Gruppe gehören.“

Herodes: „Das ist soziale Gerechtigkeit!“

Johannes: „Es ist Diebstahl und Rassismus und Volksverhetzung.“

Herodes: „Es wird den Armen helfen.“

Johannes: „Es wird den Armen nicht helfen. Viele Wäschereien wurden geschlossen in Rom. Die Steuern hatten die Arbeitslosigkeit erhöht. Am Ergebnis kannst du erkennen, ob die Maßnahme gut ist. Früher gab es viel Wohlstand. Wo ist er geblieben? Verschwunden! Sind die Armen reich geworden? Nein, es gibt immer mehr Steuern und immer mehr Armut. Das ist der Zusammenhang, den du dich weigerst, zu erkennen.“

Herodes respektierte Johannes, weil er wusste, dass dieser ein gerechter und heiliger Mann war und er gab acht auf ihn. Er hörte ihn gerne. Doch er war verwirrt und gestört in seiner eigenen Überzeugung, was ihn beunruhigte und verärgerte. Und er fuhr fort, das zu tun, was er immer getan hatte.


Die Nachbarin, die den Mais stahl … oder: Der Dieb, der seinen Diebstahl nicht erkennt!
https://pedrodesouza.blog/2018/01/04/du-sollst-nicht-stehlen/