
Das zweifelnde Verhalten des Apostels Thomas ist ein Verhalten der Vernunft.
Thomas sieht einen Widerspruch zwischen seiner bisherigen Annahme und der Aussage der anderen Apostel und der Frauen. Sein Zweifel lässt ihn den Widerspruch erforschen.
Es ist vernünftig, zugunsten der höheren Erkenntnis daran zu zweifeln, dass der jetzige Kenntnisstand der Weisheit letzter Schluss sei, solange es Widersprüche gibt.
Thomas ‚legt seine Finger in die Wunde Christi‘, er berührt ihn und stellt fest, dass Christus lebt. Dies weist darauf hin, dass die Wahrnehmung durch die Sinnesorgane Grundlage der Erkenntnis ist.
Ein Gott, der in seiner Liebe den Kosmos zuverlässig auf Gesetzmäßigkeit gründet, kann keine Unvernunft erwarten, – das wäre ein Widerspruch -, im Gegenteil gibt er dem Menschen das Mittel der Erkenntnis (den Logos) mit auf den Weg.
„Im Anfang war der Logos, und der Logos war bei Gott, und Gott war der Logos“ (Joh 1;1)
Zum Erkennen aber gehört der Zweifel. „Wer nicht zweifelt, kann sich auch nicht sicher sein“, sagte Johannes Kepler. Der Zweifel hält den Forscher auf der Bahn der Erkenntnis und führt ihn auf der Basis der richtigen Prämissen und mit Hilfe der richtigen Logik zur widerspruchsfreien Erkenntnis.
„Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben.“ (Joh 20;29) –
Die (noch) nicht sehen sind diejenigen, die den Glauben haben, dass sie sehen können, wenn sie der zweifelnden – d. h. nach höherer Erkenntnis strebenden – Wissenschaft folgen. Sie sind selig, sie sind auf dem Erkenntnispfad. Das ist vernünftig, weil Wissenschaft kontextuell ist. Etwas, das mit gestrigen Mitteln im gestrigen Kontext erkannt wurde, wird heute durch einen erweiterten Kontext und mit neuen Mitteln neu betrachtet und bewertet.
Durch diesen Zweifel schreitet die Wissenschaft fort. Der Zweifel an der Endlichkeit der Erkenntnis ist der Motor der Wissenschaft.
Machen Sie „kopernikanische Revolutionen“, wenn Sie Dingen auf den Grund gehen wollen. Fragen Sie sich: „Was, wenn es nicht so ist, wie ich denke, wie könnte es dann sein? Wie könnte es noch sein? Wie könnte ich es anders betrachten? Was, wenn es das Gegenteil ist von dem, was ich bisher glaubte?“
Stellen Sie Ihr widersprüchliches Weltbild in Frage und lassen Sie neue Erkenntnisse zu. Nur der Zweifelnde gewinnt an Erkenntnis und gelangt zu widerspruchsfreien höheren Erkenntnissen.
Der Zweifel – das Infragestellen des noch Widersprüchlichen – ist der tiefe Glaube an die Unendlichkeit der immer höheren Erkenntnis.
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