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Pedro de Souza (2002), ISBN 3-934699-08-1
Das Buch ist vergriffen, bei wordpress hier kostenfrei zu lesen


 

Terror – Krieg – Mord …!

Woraus können die Menschen heute Hoffnung, Trost und Zuversicht ableiten?

Gott mischt sich nicht ein, wir Menschen müssen uns selbst um die Weiterentwicklung unseres Bewusstseins kümmern. Wie aber ist das möglich angesichts solcher Katastrophen wie der des 11. September und angesichts anderer Kriege unserer Zeit, die mit den unterschiedlichsten Argumenten geführt werden?

Gibt es ein Argument für Krieg? – Gibt es eine Rechtfertigung für Mord? – Darf ich mein Leben verteidigen, notfalls mit Gewalt? – Wie wichtig ist Freiheit für den Frieden? – Wie wichtig sind individuelle Rechte für die Freiheit?

Jeder erfolgreiche Weg beginnt mit dem ersten, richtigen Schritt.

Dieser erste Schritt ist die bewusste Anerkennung eines Prinzips. Die Betonung liegt auf dem Wort BEWUSST.

Dass sich viele Menschen tatsächlich nicht sicher sind, ob Mord generell verurteilt werden soll, und ob pazifistisches Verhalten lebensfördernd ist, wird in dem nachfolgenden Gespräch deutlich, in dem fünf junge Menschen köpferauchend über den uralten Wert: „Hab‘ Ehrfurcht vor dem Leben“ philosophieren.

Die amerikanischen Studenten Max, Ryan, Harry und Patrick diskutieren mit ihrer indischen Freundin Yokura über die Geschehnisse des 11. September 2001. Gemeinsam betrachten sie Verhaltensweisen wie Extremismus, Fanatismus und Terrorismus und suchen nach einem Weg für eine friedliche Welt.

Die lebendige und spannende Diskussion der fünf Freunde erhellt das Verständnis für elementare Prinzipien und schenkt neue Einsichten in den Zusammenhang von Moral und Frieden.


Hallo Frieden!

Am 11. September 2001 fielen die Zwillingstürme des World Trade Centers in New York, USA, dem Terror zum Opfer.‘ Mit Grauen zu lesen in jeder Tageszeitung, schrecklich zu sehen auf allen Fernsehkanälen.

Die ersten Gedanken, die jedem mitfühlenden Menschen durch den Kopf gingen, waren: „Mein Gott, die armen Opfer! Was für Menschen müssen das sein, die so etwas Schreckliches tun? Gibt es keine guten Werte mehr in dieser Welt?!“

Nach dem fast unfassbaren Ereignis treffen in den USA einige junge Menschen zusammen, um über die Geschehnisse zu diskutieren. Max, Ryan, Patrick, Harry und die Touristin Yokura aus Indien. Außer Yokura ist jeder der fünf Freunde Amerikaner.

Wir begeben uns mitten hinein in das Gespräch, das bereits begonnen hat.

 

Wenn wir keine klare Antwort haben, ...

Max: „Was sind Werte überhaupt?“

Ryan: „Es sind unter anderem Gottglaube, Treue, Freundschaft, Zuverlässigkeit, Mut, Schnelligkeit, Teamarbeit, Vertrauen, Aufrichtigkeit … Dafür sind Menschen bereit, etwas zu tun. Sie wollen diese Werte erlangen und erhalten. Die erwähnten Werte sind zweifellos gut und erstrebenswert. – Aber halt! Lass uns an eine Räuberbande denken. Deren Mitglieder berauben und töten ihre Opfer. Die Räuberbandenmitglieder sind mutig, treu, schnell, zuverlässig, teamfähig …“

Max: „Himmel hilf! Das sind alle guten Tugenden, die man sich wünschen kann!“

Ryan: „Jedermann weiß, dass hier etwas nicht stimmt. Aber was? Solange wir uns nicht absolut im Klaren darüber sind, was in Ordnung ist, was nicht in Ordnung ist, und warum dies so ist, wird es immer wieder Räuberbanden geben ….“

Max: „Bisher dachte ich, der Fehler läge daran, dass die Räuberbandenmitglieder diese Tugenden nur unter sich selbst pflegen, nicht aber gegenüber anderen Menschen.“

Ryan: „Hast Du geglaubt, dass es falsch sei, wenn die Mitglieder einer Familie oder Gemeinde treu zu einander sind? Eine Familie, deren Mitglieder nur unter sich Tugenden ausüben, kann nicht mit einer Räuberbande gleichgesetzt werden. Hier ist Unterscheidungsvermögen notwendig! Die Mitglieder einer Räuberbande können eher mit den Terroristen verglichen werden.“

„Aber ist die Räuberbande nicht besser als die Terroristen?“, fragt Max.

„Jein“, antwortet Ryan, „wer will schon in einer Gesellschaft leben, in der Räuberbanden ihr Unwesen treiben?“

„Ein Jein ist mir hier zu wenig“, entgegnet Max. „Ich suche eine eindeutige Antwort.“

„Du hast Recht. Wenn wir uns nicht ganz klar darüber sind, was richtig und falsch ist, wird es immer mehr Terroristen geben“, nickt Ryan und fügt die Frage hinzu: „Also was ist wirklich schlimm gewesen an der Tat der Terroristen?“

Max geht fast in die Luft: „Das fragst Du noch? Du lebst wohl im Mittelalter!“

„Vielleicht auch in der Steinzeit, aber bitte greife mich nicht an. Lass uns einfach sachlich miteinander über unsere Frage nachdenken“, bittet Ryan ihn ruhig.

Nachdem Max sich beruhigt hat, sagt er: „Du weißt doch, dass die Türme des World Trade Centers einstürzten und Tausende von Menschen unter sich begruben. Die Terroranschläge waren schrecklich!“

„Und was genau war das Schreckliche daran?“, lässt Ryan nicht locker.

„Findest Du sie etwa nicht schrecklich?“, empört sich Max.

„Doch! Sicher! Du hast Recht. Aber ich frage deshalb so nachdrücklich, weil ich ganz genau erkennen will, was das Schreckliche daran ist. Ich will es ganz klar definieren, damit ein tieferes Verständnis an die Stelle unserer Hilflosigkeit tritt. Es ist doch so, dass solche Menschen nur deshalb weiterhin so handeln können, weil wir das klare Prinzip noch nicht erkannt haben. Wenn wir keine klare Antwort haben, wird es immer mehr Terroristen geben“, antwortet Ryan.

„Die Antwort ist: Weil ein Terroranschlag auf das World Trade Center eben schrecklich ist“, wiederholt Max.

Ryan: „Das kann ja wohl nicht die Begründung sein! Wenn irgendein Supermarkt oder ein Slumviertel angegriffen worden wäre, wäre es dann nicht schrecklich? Wenn wir keine klare Antwort haben, dann …“

Max: „ … wird es immer mehr Terroristen geben! Jaja. Das weiß ich. Es wäre auch schrecklich, wenn ein Terroranschlag auf einen Supermarkt verübt worden wäre. Ein Terrorist würde aber nicht ein Slumviertel zerstören. Das würde eher ein Extremist tun.“

„Wo ist der Unterschied? Wie ist es mit Fundamentalisten, Rassisten, Faschisten? Sind sie besser als Terroristen?“, bohrt Ryan nach.

„Gewiss nicht!“, sagt Max. „Sie alle machen etwas falsch. Aber was?“

Ryan: „Lass uns zuerst beim World Trade Center bleiben! Was war Dein erster Eindruck, als Du den Anschlag auf das World Trade Center in Fernsehbildern gesehen hast?“

Max: „Nun, ich war entsetzt und dachte: Was müssen das für Menschen sein, die so etwas tun?“

„Es ist normal, mit solchen Emotionen zu reagieren. Und was ist die Lösung zum Problem der Gewalt? Konflikte dürfen nicht mit Gewalt gelöst werden. Doch wie verhindert man Gewalt?“ Ryan schaut Max gespannt an.

 

Konflikte dürfen nicht mit Gewalt gelöst werden.

„Globalisierung, Unfreiheit und Korruption müssen verhindert werden. Aber wie?“, fragt Max nachdenklich.

„Es muss universale Grundprinzipien für eine soziale Welt geben“, sagt Ryan.

„Du meinst einen Pakt? Das ist doch keine klare Antwort. Wenn Rechtsanwälte einen Pakt verfassen, wird keiner ihn verstehen!“, entgegnet Max leicht verärgert und fährt dann fort: „Es ist auch keine Lösung, den Islam[1] als Feindbild darzustellen. Kardinal Karl Lehmann[2] sagte, nicht der Islam dürfe das Feindbild sein, sondern der Terrorismus.“

Ryan: „Gut, doch wie ist es mit den Räuberbanden, deren Mitglieder töten und rauben? Sie sind keine Terroristen. Sind sie dann auch keine Feinde? Denk‘ daran, Max, wir suchen eine klare Antwort.“

 

Dialog oder Weltreligion?

Max: „Wie steht es mit einem Dialog zwischen den Religionen? Ohne Dialog gibt es keinen Frieden.“

Ryan: „Wenn zwei ‚Freizeitvereine‘ miteinander streiten, dann ist es besser, woanders hinzugehen. Man muss sich mit deren Streitereien und Vorurteilen abfinden und dahin gehen, wo es einem gut tut. Wozu sollte man in einem ‚Verein‘ seine Freizeit verbringen, in dem gestritten wird? Man kann nicht Gift und Lebensmittel mischen und denken, man käme ohne Bauchschmerzen oder Schlimmerem davon.“

„Eine Lösung wäre, nur einen ‚Verein‘ zu haben“, sagt Max.

„Eine Weltreligion meinst Du? Und was, wenn es dann so genannte Ketzer und so genannte Sekten gibt? Müssen die dann unterdrückt werden mit den Methoden der Inquisition?“, empört sich Ryan und fährt fort: „Das Problem sind nicht die vielen Religionen. Das Problem ist die Religion selbst! Das Problem kommt von der religiösen Ebene. Die Lösung kann deshalb nicht von der religiösen Ebene kommen, sondern sie muss von einer transreligiösen Ebene kommen!“

Max: „Sollen wir etwa die Religionen abschaffen?“

Ryan: „Natürlich nicht, auch Atheisten können Gewalttaten begehen.“

„Wir müssen also eine gottgewollte Lösung finden“, sagt Max.

Ryan: „Woher weißt du, was Gott will?“

„Die Heiligen Schriften sagen, was Gott will!“, behauptet Max.

„Wenn die Verbrecher aber nicht an die Heiligen Schriften glauben?“, fragt Ryan.

„Die Terroristen hatten religiöse Motive“, meint Max zögernd.

Ryan: „Das hilft den Opfern wenig, ob die Terroristen religiöse oder politische Motive hatten. Für die Angehörigen der Opfer ist es egal, ob die Übeltäter Atheisten oder religiöse Menschen sind, ob sie Fundamentalisten, Extremisten, Terroristen oder Radikale genannt werden. Was ist die Lösung?“

Max: „Es ist schwierig. Aber wir müssen eine Lösung finden. Wir wollen unseren Kindern doch Weltfrieden hinterlassen, eine Welt ohne Gewalt. Fundamentalisten gibt es in allen Religionen.“

Ryan: „Richtig. Das macht das Problem deutlicher, das Problem des Fanatismus, des Dogmatismus, der Engstirnigkeit. Die Lösung für alle Religionen muss deshalb die gleiche sein.“

„Wir müssen also doch Dialoge haben, meinst Du?“, fragt Max. „Aber Du sagtest, Dialoge seien keine Lösung. Zum Beispiel glaubt einer an den Heiligen Krieg, der andere nicht. Sollen jetzt beide daran glauben oder sollen beide den Glauben daran aufgeben? Die Schwierigkeiten sind immens. Was aber ist die Lösung?“

„Mir fällt eine Geschichte dazu ein“, sagt Ryan und beginnt zu erzählen:

„Es war einmal ein König, der hatte einen klugen Minister, den er immer zu Rate zog. Die anderen Minister waren neidisch auf des Königs Lieblingsminister und wollten ihn umbringen. Sie erdachten sich einen Plan. Am folgenden Tag kam der Barbier wie üblich zum König und sprach: ‚Euer Majestät, uns geht es sehr gut, dank Euch. Aber wie geht es unseren Ahnen im Himmel?‘ ‚Das weiß ich nicht‘, antwortete der König dem Barbier. ‚Bitte schickt den Minister zu den Ahnen im Himmel, damit er nach ihnen sehen kann. Macht eine Feuerstätte, setzt den Minister hinein, häuft einen großen Berg Stroh über den Minister und entfacht das Stroh. So kann der Minister mit dem Rauch in den Himmel auffahren.‘ – Der König war einverstanden. Er gab dem Minister eine Woche Zeit für den Versuch. Dieser aber ließ einen Tunnel unter der Feuerstätte bauen. Als über ihm das Stroh entfacht wurde, ging er schnell hinunter in den Tunnel. – Nach einigen Tagen kam er zurück. Alle waren erstaunt. ‚Wie geht es den Ahnen? Fehlt ihnen irgend etwas?‘ wurde er gefragt. ‚Oh, es geht ihnen sehr gut. Sie haben alles, bis auf einen Barbier. Sie bitten Eure Majestät, ihnen den Barbier zu schicken.‘ – Da fiel der Barbier dem König zu Füßen und bat um Vergebung, und der König vergab ihm.“

Max meint: „Mir scheint, der König war leichtsinnig. Er riskierte das Leben des Ministers. Ich glaube, jetzt habe ich die Lösung.“

„Ja?“ fragt Ryan.

 

Die Basis der Moralität einer friedvollen Welt

„Ja“, meint Max, „der König hat das Prinzip ‚Hab Ehrfurcht vor dem Leben‘ nicht geachtet. Er hätte die Bitte des Barbiers ablehnen müssen.“

„Genau“, sagt Ryan, „aber was ist, wenn jemand glaubt, es sei in Ordnung, Ungläubige zu töten?“

„Ein solcher Glaube findet in keiner Weise irgendeine Begründung in den Religionen. Alle Religionen verurteilen klar und deutlich Gewalttäter“, sagt Max.

„Ja“, meint Ryan, „alle Religionen, alle Nationen verurteilen Gewalttäter, aber leider eben nicht klar und eindeutig!“

Max: „Was meinst Du damit?“

„Es muss klar und eindeutig ausgedrückt werden. Einfach: Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet. Punkt!“, sagt Ryan bestimmt.

 

Das Basisdoppelprinzip lautet:
Nicht-Töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet!

Max: „Aber eigentlich ist das doch nichts Neues. In jeder Religion gibt es das Gebot: ‚Du sollst nicht töten.‘“

Ryan: „Aber nicht jeder Mensch ist religiös. Wir brauchen eine Basis für alle Menschen!“

Max: „Na ja, und obwohl es genügend religiöse Menschen auf der Welt gibt, wird das Gebot ‚Du sollst nicht töten‘ dennoch wenig beachtet. Viele religiöse Menschen töten sogar im Namen ihres Glaubens.“

Ryan: „Eben. In den Religionen finden wir das Prinzip nur als eine Anweisung unter vielen. Es wird zwar in allen Religionen erwähnt, doch es ist mit anderen Geboten vermischt worden.“

 

Alle Tugenden sind dem Basisdoppelprinzip untergeordnet.

Max: „Ich habe in einem Yogabuch die Beschreibung der fünf Tugenden gelesen: Gewaltlosigkeit, die Wahrheit sagen, Nicht stehlen, Keuschheit und Nichtgier. Die Tugend ‚Gewaltlosigkeit‘ kann mit unserem Basisdoppelprinzip verglichen werden. Also ist dieses Prinzip hier anerkannt.“

„Stimmt“, sagt Ryan, „aber es ist mit anderen Tugenden gleichrangig erwähnt.“

Max: „Ja, aber die anderen Tugenden sind auch gut. Ist es nicht richtig, die Wahrheit zu sagen und nicht gierig zu sein? Bei der Keuschheit bin ich mir nicht so sicher …“

„Wenn man nicht keusch ist, ist man dieser Regel zufolge einem Mörder gleichzusetzen“, sagt Ryan.

„Wieso?“, fragt Max empört.

Ryan: „Einer, der mordet, ist ein Sünder, und ein anderer, der nicht keusch ist, ist auch ein Sünder. Beide sind gleichrangige Sünder. Ein Verstoß gegen das Prinzip der Keuschheit ist hier gleich schlimm wie ein Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltlosigkeit. Dieses Problem hatten wir schon vorhin: Die Terroristen hatten Tugenden wie Teamarbeit, Zuverlässigkeit usw. gezeigt.“

„Wir spüren doch, dass etwas nicht stimmt, aber was ist es genau?“ Max will dem Prinzip auf die Spur kommen.

Ryan: „Worauf basierten die Tugenden der Terroristen?“

Max: „Ahh, sie missachteten das Lebensrecht der Menschen!“

 

Die Rangordnung der Werte

„Genau, diese so genannten Tugenden der Terroristen dürfen dann nicht als positiv anerkannt werden, wenn sie nicht auf dem Basisdoppelprinzip ‚Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet‘ basieren“, stellt Ryan eindeutig fest.

„Mir geht ein Licht auf“, sagt Max, „nur wenn das Prinzip ‚Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet‘ beachtet wird, sind all die anderen Tugenden positiv zu werten, sonst nicht! Wenn die Wurzel faul ist, kann der Baum nicht gesund sein.“

„Das bedeutet – und das ist neu!– dass Tugenden und Werte eine Rangordnung haben. Der höchste Wert auf der Erde ist das Leben. Kein Wert ist wünschenswert, wenn durch Erreichen des Wertes das Leben vernichtet wird“, sagt Ryan.

 

Tugenden und Werte haben eine Rangordnung.

Und er fährt fort: „Das Prinzip ‚Leben ist der höchste Wert für Menschen auf dieser Erde’ kann klar und unmissverständlich durch eine Grundanweisung dargestellt werden: Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet. Was neu ist, ist die eindeutige Betonung dieses Prinzips.“

 

Ethischer und unethischer Fanatismus

„Ich verstehe, was Du sagen willst“, sagt Max. „Und jetzt sage mir, was wir gegen Fanatiker tun sollen.“

„Gar nichts“, sagt Ryan.

Max: „Bist Du noch bei Sinnen?“

„Ich bleibe fest bei meiner Meinung“, sagt Ryan.

„Du bist ein Fanatiker“, empört sich Max.

„Und?“, entgegnet Ryan. „Willst Du dich jetzt von mir distanzieren?“

„Aber nein“, meint Max versöhnlich. „Ich mag dich nach wie vor.“

„Also ist es nicht schlimm, einen Fanatiker wie mich zum Freund zu haben?“ bohrt Ryan nach.

„Nein“, sagt Max. „Du bringst die Leute ja nicht um.“

„Aha!“ sagt Ryan. „Das ist der große Unterschied. Ich achte das Basisdoppelprinzip ‚Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet‘. Nicht der Fanatismus also, sondern die Nichtbeachtung unseres Basisdoppelprinzips ist das entscheidende Kriterium.“

Max: „Aber Fanatismus kann dazu führen, dass das Prinzip ‚Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet‘ nicht beachtet wird.“

„Ja. Es ist aber das Töten, das verwerflich ist. Das weiß jeder, auch der Mörder“, sagt Ryan.

„Jeder? Tatsächlich?“, fragt Max.

Ryan: „Stimmt. Bisher leider noch nicht. Aber wenn die Menschen wirklich Frieden haben wollen, muss dieses Basisdoppelprinzip weltweit in allen Schulen gelehrt werden.“

Max: „Soll dann nur dieses Basisdoppelprinzip z. B. anstatt der fünf Yogatugenden gelehrt werden? Kann dieses Basisdoppelprinzip alle Gebote ersetzen?“

Ryan: „Jede Religion hat ihre eigenen Stärken. Das ist gut so. Aber es wäre möglich, ein universales Ethos bzw. eine universale Moralität zu etablieren. Prof. Hans Küngs[3] besonderes Anliegen ist die Bemühung um ein Weltethos. Dieses Basisdoppelprinzip ist die Antwort auf seine Frage. Es stellt das Leben der Menschen weltweit auf eine sichere Basis.“

 

Das Basisdoppelprinzip ist die Basis eines Weltethos.

„Muss es denn nicht mehr Prinzipien geben?“, fragt Max. „Wie ist es z.B. mit der Sklaverei und anderen Vergehen gegen die Menschenrechte? Sie sind ebenfalls verwerflich.“

„Es genügt, wenn alle anderen Tugenden und Werte auf dem Basisdoppelprinzip basieren“, erklärt Ryan. „Wenn wir zu viele Grundprinzipien haben, ist es schwerer zu verstehen. Wir wollen nicht, dass nur Theologen oder Gelehrte Zugang zu diesen Prinzipien haben, sondern dass alle Menschen, auch Analphabeten, diese Prinzipien vermittelt bekommen können.“

„Stimmt“, sagt Max. „Alle Religionen und alle Kulturen können Solidarität gegen Terrorismus zeigen. Die verschiedensten Kulturen und Religionen behalten ihren individuellen Charakter und ihre eigenen kulturellen Ausprägungen, und gleichzeitig treffen sie an diesem einen Punkt zusammen. Ein gemeinsamer Faden soll sie alle durchziehen. Ein Fundament für alle Religionen und Kulturen und Völker. Ein Fundament für ethische Fundamentalisten. Dann dürfen die Gläubigen gerne fanatisch sein – nämlich fanatisch in dem Glauben, dass man nicht töten soll! Dieses Prinzip kann alle Religionen und Völker vereinen und trägt zu einem besseren Völkerverständnis bei. Dieses Fundament ist die Voraussetzung dafür, dass die Völker automatisch miteinander füreinander wirken können. Dann wird es keine Terroristen mehr geben.“

 

Die richtige Wortwahl

„Moment mal! Terroristen?“, sagt Ryan, „hast Du das Prinzip nicht verstanden?“

„Wieso nicht?“, fragt Max erschrocken. „Was meinst Du damit?“

Ryan: „Wir waren uns einig darüber, dass die Terroristen und die Räuberbandenmitglieder Tugenden pflegten. Diese Tugenden waren aber wertlos. Warum?“

„Weil sie das Basisdoppelprinzip verletzt hatten“, sagt Max, immer noch verständnislos.

„Und warum nennst du die Täter des Terroranschlags auf die Menschen in den USA dann Terroristen?“, fragt Ryan.

„Warum sollen die Attentäter denn nicht Terroristen genannt werden? Ich verstehe Dich nicht“, sagt Max ratlos.

„Gib ihnen den Namen, der eindeutig besagt, dass sie gegen das oberste Prinzip verstoßen haben“, verlangt Ryan energisch.

„Wie könnte ich sie denn noch nennen?“ Max ist verunsichert.

„Nenne sie Mörder. Das ist es, was sie sind!“ sagt Ryan bestimmt.

„Aber dieses Wort zeigt nicht, wie schrecklich die Taten waren“, ruft Max laut.

„Was kann schrecklicher sein, als gegen unseren höchsten irdischen Wert, das Leben, zu verstoßen? Das Wort Terrorist ist zuvor auch für Flugzeugentführer benutzt worden, die keine Menschen getötet hatten. Doch ich verstehe Dein Anliegen. Vielleicht können wir das Wort ‚Massenmörder‘ für die Täter des Terroranschlags in den USA benutzen“, gibt Ryan zu.

„Gut“, sagt Max, „aber jetzt sage ich Dir, dass Du das Prinzip nicht richtig verstanden hast.“

„Was meinst Du, Max?“ Nun ist Ryan perplex.

„Warum nennst Du die Taten Terroranschläge?“, fragt Max.

„Als was soll ich sie bezeichnen?“, fragt Ryan.

„Als das, was sie wirklich sind“, sagt Max, „als Morde!“

„Ja“, gibt Ryan zu, „das ist eindeutig. Das ist das richtige Wort dafür, dass die Taten gegen das oberste Prinzip verstoßen. Das Wort ‚Terrorist‘ hat religiöse und politische Untertöne, die Sympathie erwecken können. Das Wort ‚Mörder‘ erweckt keine Sympathie. Doch ich möchte Dich noch einmal etwas fragen: Was waren Deine Reaktionen, als Du erfahren hast, dass die beiden Türme des World Trade Centers dem Terror zum Opfer gefallen sind?“

Max antwortet: „Ich dachte: Was müssen das für Menschen sein, die so etwas tun?“

Ryan: „So etwas tun? Was tun?“

Max: „Diese Barbarei natürlich.“

Ryan: „Was bedeutet Barbarei?“

Max: „Ich weiß! Ich hätte sagen sollen: Was müssen das für Menschen sein, die die Menschen im World Trade Center ermordet haben. Doch auch Du hast Dich falsch ausgedrückt! Deine Frage war: Was waren Deine Reaktionen, als Du erfahren hast, dass die beiden Türme des World Trade Centers dem Terror zum Opfer gefallen sind? Du hättest …“

Ryan: „Ich weiß. Ich hätte sagen sollen: … dass die Menschen im World Trade Center den Mördern zum Opfer fielen!“

 

 Gesetze sind für den Menschen da, nicht der Mensch für die Gesetze

Max: „Vielleicht brauchen wir mehr Gesetze!“

Ryan: „Es gibt so viele Gesetze. Manche Menschen beachten nur die Worte des Gesetzes, nicht aber ihren Geist. Tatsächlich braucht es große Mengen an Gesetzen und Regelwerken, solange die Moralität leidet. Viele Gesetze sind nur notwendig, solange es keine Moralität gibt.“

Max: „Stimmt. Und solange die Unmoralität herrscht, bekommt der Boden für Terrorismus oder Mord immer wieder neue Nahrung.“

„Ja“, sagt Ryan. „Die Gesetze beseitigen die Verbrechertaten und unerwünschtes Verhalten wie Rama in der irdischen Geschichte Ramayana[4] die Köpfe des 10-köpfigen Ravana abgeschlagen hatte. Jedesmal, wenn er einen Kopf abgeschlagen hatte, kamen zwei Köpfe an seine Stelle. Nur als sein Bauch angegriffen wurde, wurde Ravana getötet. Wenn ein Gärtner nur die Blätter abschneidet, wachsen neue Blätter. Wenn er aber die Wurzeln entfernt, kommt das Unkraut nicht mehr. Wir müssen also die Wurzeln des Terrorismus angreifen.“

„Was aber sind die Wurzeln?“, fragt Max und Ryan antwortet: „Die Unmoralität!“

Max: „Und was ist Unmoralität? Hat das etwas mit Sexualität zu tun? Oder womit? Und was hat Sexualität mit Terrorismus – nein mit Mord! – zu tun?“

Ryan meint: „Du kannst ruhig das Wort ‚Mord-Terrorismus‘ benutzen. Etwa ein Jahrhundert vor Christus klagte Cicero, ‚O tempora! O mores!‘ Das heißt, ‚Wie unmoralisch sind die Zeiten, in denen wir modernen Menschen leben! Wie die sozialen Werte verfallen sind!‘“

Max: „Das hat er alles in vier Worten gesagt?! Aber was er mit ‚unmoralisch‘ gemeint hatte, ist nicht das gleich wie das, was Du meinst. Was meinst Du mit Unmoralität?“

Ryan: „Du selbst hast die Idee gehabt. Wir brauchen ein neues Verständnis von Moralität!“

Max: „Und das wäre?“

 

Was ist Moralität?

„Moralität“, sagt Ryan, „ist in erster Linie die Einhaltung des Basisdoppelprinzips ‚Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet.‘“

Max: „Ich verstehe. Und Unmoralität oder unmoralisch zu sein, bedeutet die Verletzung dieses Basisdoppelprinzips.“

Ryan: „Wenn die Menschen auf dieses Prinzip achten, wird kein Mensch einen anderen Menschen töten.“

 

Moralität ist die Einhaltung des Basisdoppelprinzips.
Unmoralisch zu sein bedeutet, das Basisdoppelprinzip zu verletzen.

Max: „Aber dieses Basisdoppelprinzip ‚Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet‘ ist nicht neu. Die Gesetzgeber sind alle für die Einhaltung dieses Prinzips!“

„Ja“, stimmt Ryan zu, „aber es wird nicht nur in den Heiligen Schriften, sondern auch in den Gesetzen mit anderen Prinzipien gemischt. Es wird zwar befürwortet, aber es fehlt ihm die bewusste Anerkennung, die eindeutige Betonung. Was nicht bewusst anerkannt wird, ist, dass die Gültigkeit aller anderen Tugenden von der Beachtung des Basisdoppelprinzips abhängt. Nimm zum Beispiel die Tugend ‚sein Wort halten‘. Kann diese Tugend ungültig sein?“

„Na ja“, sagt Max zögernd. „Ja sicher. Der Tetrarch Herodes, der in der Zeit Christi lebte, feierte seinen Geburtstag in Machaerus in seiner Festung, in deren Keller Johannes der Täufer gefangen war. Salome, die Stieftochter des Herodes, tanzte so wunderschön, dass Herodes versprach, ihr alles zu geben, was sie sich wünschte. Salome wollte das Haupt von Johannes. Herodes war zwar betrübt, aber weil er sein Wort gegeben hatte und sein Gesicht vor den Gästen nicht verlieren wollte, erfüllte er ihren Wunsch.“

„Siehst Du“, sagt Ryan, „Herodes war betrübt, aber er hat nicht geantwortet, wie er hätte antworten sollen. Wenn er das Basisdoppelprinzip bewusst anerkannt hätte, würde er ihr geantwortet haben: ‚Was? Einen Menschen töten, um mein Wort zu halten? ‚Wort halten‘ ist dem Prinzip ‚Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet‘ untergeordnet.“

Max: „Das erinnert mich an die Geschichte vom Barbier und dem König. Der König hätte den Vorschlag sofort ablehnen sollen!“

 

Die Kraft der Moralität

Ryan: „Wenn das Basisdoppelprinzip von allen Menschen auf dieser Erde wirklich verinnerlicht und beachtet werden würde, wären die humanen und friedensfördernden Kräfte dieser Moralität freigelegt …

 

Moralität setzt humane und friedensfördernde Kräfte frei.

… Unsere Kinder und Familien würden sich in einer solchen moralischen Welt sicher und wohl fühlen. – Ah, da kommt Patrick!“

Patrick hält den ‚Fürst‘ in der Hand und sagt: „Ich habe gerade eine Klausur über Machiavellis[5] ‚Fürst‘ geschrieben. Störe ich Euch?“

Max: „Nein, wir sprachen gerade über Terrorismus.“

Patrick: „Die Zerstörung des World Trade Centers kennzeichnet die Schwäche unseres Wirtschaftssystems.“

Ryan: „Nein, die Schwächen waren uns auch vorher schon bewusst gewesen. Der Mordanschlag auf die Menschen im World Trade Center zeigt nur, wie schwach unsere Moralität ist!“

Patrick: „Moralität? Was hat der Terroranschlag mit Sexualität zu tun?“

Max: „Moralität hat nichts mit Sexualität zu tun, sondern mit Ethik, mit unserem Verhalten untereinander. Diese Mordtat ist ein Verstoß gegen das Basisdoppelprinzip und deshalb absolut unmoralisch!“

Patrick: „Basisdoppelprinzip? Davon habe ich keine Ahnung. Ich weiß nur, dass diese Tat schrecklich war.“

Ryan: „Ein Erdbeben ist auch schrecklich. Mit dem Wort ‚unmoralisch‘ oder ‚unethisch‘ zeigen wir, dass die Tat eine Mordtat war und dass Mord verwerflich ist.“

Patrick: „Wir alle wissen, dass es eine Mordtat war, und dass Mord verwerflich ist.“

Ryan: „Und warum sagen wir das nicht?! Hier ist ein Zeitungsbericht: ‚Am 11. September 2001 fielen die Zwillingstürme des World Trade Centers in New York, USA, dem Terror zum Opfer …‘“

Patrick: „Es fällt mir wie Schuppen von den Augen! Die Türme, nicht die Menschen, sind in dieser Formulierung die Opfer! Und die Tat wird Terror genannt, nicht Mord!“

Max: „Kein Mensch, keine Nachrichten- und Fernsehsendung hat die Tat als unmoralisch bezeichnet.“

Patrick: „Unmoralisch? Das ist neu. Es ist notwendig, umzudenken! Können wir dann sagen, dass Fundamentalisten unmoralisch sind?“

Ethischer und unethischer Fundamentalismus/Extremismus

Ryan: „Nein. Fundamentalisten sind nicht unmoralisch.“

Patrick: „Aber sie sind Extremisten. Sie sind doch unmoralisch.“

Max: „Warum?“

Patrick: „Weil Extremismus oder Fundamentalismus zu Terror – pardon Terror-Mord führen kann.“

Max: „In diesem Fall, wenn der Fundamentalismus zu Mord führt, nennen wir die Täter Mörder-Extremisten oder Mörder-Fundamentalisten.“

Patrick: „Ich glaube trotzdem, dass Extremismus schlecht ist.“

Ryan: „Ist dein Mathematiklehrer ein schlechter Mensch?“

Patrick: „Mein Mathematiklehrer? Schlecht? Wieso?“

Ryan: „Weil er ein Extremist ist.“

Patrick: „Wie kommst du denn auf diese Idee?“

Ryan: „Extremisten sind fest überzeugt davon, dass ihre Antwort auf ihre Probleme richtig sind. Und Dein Mathematiklehrer ist fest überzeugt davon, das seine Antworten auf mathematische Probleme immer richtig sind, und dass Deine Antworten, wenn sie von den seinen abweichen, falsch sind. Deshalb ist er ein Extremist.“

Patrick: „Nein, so habe ich das natürlich nicht gemeint.“

Max: „Es scheint, wir meinen unterschiedliche Dinge, wenn wir von Extremismus sprechen.“

Klarheit in den Definitionen

Ryan: „Es ist notwendig, die Worte zu definieren, bevor wir sie in einem Gespräch mit unseren Gesprächspartnern benutzen. Und wir bitten auch unsere Gesprächspartner, die Worte zu definieren. Dann erst kann die Diskussion beginnen.“

Patrick: „Richtig. Mir ist ein Gedanke gekommen: Was, wenn Du die Anweisung gegeben hättest, Extremismus zu verbieten, ohne Extremismus zu definieren? Und wenn dann ich, in Ausführung Deines Befehls, Mathematik verboten hätte!“

Ryan: „Das wäre schade für Schüler und Studenten gewesen. Aber wenn ich gesagt hätte: ‚Verhafte die Extremisten‘, und Du dann die Mathematiklehrer verhaftet hättest, dann wäre das nicht mehr nur schade, sondern schlimm gewesen!“

Max wirft selbstsicher ein: „Ich würde Dich zuvor gefragt haben, ob Du Mathematik als extremistische Ideologie betrachtest.“

Ryan: „Das wäre vernünftig gewesen. Aber manchmal ist es nicht möglich, den Autor einer Aussage zu fragen.“

Patrick: „Warum nicht? Weil er ein böser Mensch ist, oder weil berühmte Leute wenig Zeit haben?“

Ryan: „Weil er vielleicht in einem anderen Jahrhundert gelebt hat! Jesus z.B. hat viel gesagt. Seine Aussagen lesen wir in den Heiligen Schriften. Aber Jesus hat seine Worte nicht definiert. Wir verstehen ihn also nicht und wissen nicht, was er gemeint hatte. Wir können ihn auch nicht fragen. Deshalb gibt es so viele Sekten.“

Patrick: „Die Extremisten behaupten, sie haben Recht. Deshalb sind sie schlecht. – Oh, da kommt Harry! Hallo Harry!“

Harry kommt ins Zimmer geschlendert und begrüßt die Freunde.

Harry: „Hallo! Höre ich richtig? Du sagst Extremisten seien schlecht? Ich finde Extremisten cool!“

Patrick: „Das meinst Du doch nicht im Ernst, oder? Extremisten sind schlecht!“

Harry: „Auf keinen Fall! Sie …“

Ryan: „Bevor ihr weiter diskutiert, bitte definiert, was Ihr unter ‚Extremist‘ versteht.“

Harry: „Wieso sollen wir das definieren? Jeder weiß doch, was ein Extremist ist.“

Patrick: „Wir möchten wissen, was Du darunter verstehst.“

Harry: „Gut. Ein Extremist ist einer, der bei völliger Ahnungslosigkeit extrem sicher auftritt. Warum also soll er schlecht sein?“

Alle schweigen. Dann lacht Patrick laut.

Patrick: „Ha-ha-ha! Witzige Definition! Und wir hätten jetzt stundenlang darüber diskutiert, ohne zu wissen, dass wir von zwei völlig verschiedenen Sachen reden! Solch ein Extremist ist natürlich nicht schlecht!“

Ryan: „Es ist notwendig, gegen unmoralischen Extremismus oder unmoralischen Fundamentalismus zu kämpfen. Extremismus und Fundamentalismus sind aber nur schlecht, wenn sie gegen unsere Grundwerte verstoßen. Das haben wir am Beispiel des Mathematiklehrers erkannt. Es gibt noch andere Beispiele: Auch Johannes Kepler[6] und Galileo Galilei[7] traten extremistisch für ihre Gedanken ein. Sie waren aber ethische Extremisten, denn ihre Ansichten gefährdeten nicht das Leben anderer Menschen.“

Max: „Genau, lasst uns noch weiter nachdenken: Unmoralischer Extremismus und Fundamentalismus sind die Köpfe Ravanas. Es ist sinnvoller, den Bauch Ravanas zu treffen. Damit sind sämtliche zehn Köpfe auf einmal erschlagen.“

Ryan: „Und sie wachsen nicht mehr nach!“

Harry: „Wofür steht der Bauch symbolisch?“

Ryan: „‘Den Bauch erschlagen‘ heißt symbolisch, das Basisdoppelprinzip ‚Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet‘ zu beachten, bzw. jene daran zu hindern oder zu bestrafen, die dieses Prinzip missachten. Dieses Prinzip soll als das höchste Prinzip beachtet werden. Wenn dieses Prinzip geachtet wird, fallen Fundamentalismus und andere ‚Köpfe‘ ab.“

Harry: „Dann gibt es keine Extremisten mehr?“

Es klingelt.

„Wir bekommen Besuch“, sagt Patrick. „Es ist Yokura, eine Touristin aus Indien, die ich gestern kennen gelernt und zu uns eingeladen habe …. Herzlich willkommen, Yokura. Setz Dich zu uns.“

Yokura betritt das Zimmer, begrüßt die Anwesenden und macht es sich gemütlich: „Danke für die Einladung.“

Patrick: „Das hier sind meine Freunde Max, Ryan und Harry. Möchtest Du eine Tasse Tee? Wir haben gerade über die Terroranschläge …“

Max unterbricht ihn: „… über die Mordanschläge, meinst Du!“

Patrick: „Entschuldigung. Es ist schwer, alte Gewohnheiten abzulegen.“

Ryan erklärt Yokura alles, was bisher besprochen worden war.

Harry: „Wir waren gerade bei der Frage: ‚Gibt es dann keine Extremisten mehr?‘

Max: „Ich kann nicht so naiv sein, zu glauben, dass es dann keine Extremisten mehr gäbe, wenn alle Menschen am Basisdoppelprinzip als dem Prinzip festhielten, auf dem alle anderen Prinzipien basieren.“

Yokura: „Aber wenn diese Extremisten nicht töten dürfen, bzw. wissen, dass die Verletzung des Basisdoppelprinzips bestraft wird, dann dürfen sie ruhig Extremisten sein.“

Max: „Mich beunruhigt das trotzdem!“

Yokura: „Ich kann Deine Unruhe gut nachempfinden. Die Lösung hierfür ist: Wir müssen zwischen lebensförderndem und lebensschadendem Extremismus unterscheiden.“

 

Der Wunsch nach Frieden

Harry: „Wie man die Extremisten auch immer bezeichnet – wir brauchen Frieden in unserem Land!“

Yokura: „Wenn wir Frieden mit einem anderen Land haben wollen, dann müssen beide Länder bestimmte Prämissen gemeinsam haben. Wir können nicht Frieden haben, wenn wir nicht wissen, woraus der Frieden besteht.“

Max: „Gibt es einen anderen Wert, den das Konzept ‚Friede‘ voraussetzt?“

Yokura: „Natürlich gibt es den: Freiheit ist die Grundvoraussetzung für Frieden. Freiheit ist ein Wert. Nur weil Freiheit ein Wert ist, kann Frieden ein Wert sein.“

 

Freiheit ist die Voraussetzung für Frieden.

Max: „Und worauf basiert Freiheit?“

 

Das Fundament der Freiheit

Yokura: „Das ist eine gute Frage. Freiheit basiert auf individuellen Rechten. Ich verstehe darunter, dass ich alles tun kann, was ich will, solange ich nicht die Rechte der anderen Menschen verletze. Wir in Indien hatten individuelle Rechte unbewusst immer geschätzt. Die USA aber haben bewusst die individuellen Rechte in ihrer Verfassung garantiert! Erstmals hat sich ein Staatswesen öffentlich auf die individuellen Rechte berufen. Die amerikanische Verfassung war der Garant für Leben und Glück der Menschen in Freiheit. Die USA sind das Land, in dem jeder sein Leben leben konnte, wie er wollte, solange er die Rechte anderer Menschen nicht beeinträchtigte[8].“

 

Das Fundament der Freiheit sind die Rechte des Individuums.

Ryan: „Ja, ein Land, in dem jeder glücklich sein konnte. Wir Menschen haben die Möglichkeit, glücklich zu sein. Wir brauchen kein Schuldgefühl haben, wenn wir glücklich sind oder gar vor Neid Galle spucken, wenn andere Leute glücklich sind!“

Harry: „Wir wollten von Frieden reden, nicht von Glückseligkeit! Mann-oh-mann! Was ist Frieden?“

Ryan: „Als Individuen haben wir das Recht, nicht getötet zu werden! Dieses Recht ist das Fundament der Freiheit. Ich habe persönlich das Recht, frei von Gewalt zu sein, die von anderen Bürgern oder von einer Regierung entfacht wird. Frieden für mich als Amerikaner heißt, dass die USA frei von Gewalt sind, die von einer ausländischen Regierung initiiert wird.“

Harry: „Ich verstehe. Also ich habe das Recht, frei von Gewalt zu sein, die von anderen Menschen initiiert wird. Genauso haben wir als Nation das Recht, frei von Gewalt zu sein, die von ausländischen Regierungen initiiert wird. Ist das richtig?“

Yokura: „Genau. Um Frieden zu haben, müssen …“

Ryan: „… wir Freiheit haben. Und um Freiheit zu haben, müssen wir individuelle Rechte haben.“

 

Frieden heißt,
auf der Basis der individuellen Rechte frei zu sein von Gewalt.

Max: „Also ohne Freiheit gibt es keinen Frieden. Aber was machen wir, wenn unsere Freiheit von einer fremden Regierung durch Gewalt bedroht ist?“

Yokura: „Wir müssen Gewalt benutzen, um unsere Freiheit zu verteidigen.“

Patrick: „Gewalt? Ich dachte, wir haben uns eindeutig gegen Gewalt ausgesprochen!“

Yokura: „Wir dürfen nicht die Ersten sein, die Gewalt benutzen. Wenn unsere Freiheit aber von ausländischen Regierungen bedroht ist, die Gewalt gegen uns anwenden, dann dürfen wir Gewalt benutzen. Denn ohne Freiheit gibt es keinen Frieden, wie wir schon gesehen haben.“

Harry: „Also Frieden setzt Freiheit voraus?“

Max: „Ein Diktator hat keine Ahnung von individuellen Rechten. Er benutzt Gewalt sogar gegen seine eigenen Bürger und unterdrückt sie. Was hindert ihn dann daran, Gewalt gegen ausländische Regierungen zu benutzen? Denkt an Hitler[9], wie er den jüdischen Bürgern alle individuellen Rechte aberkannt hatte. Er hatte Hausdurchsuchungen und Leibesvisitationen eingesetzt, und schließlich das Recht auf Leben verletzt.“

Yokura: „Er hat die individuellen Rechte der Bürger nicht anerkannt. Er hat Gewalt gegen seine eigenen Bürger angewandt. Von da an ist es nur noch ein kleiner Schritt, Gewalt gegen andere Nationen anzuwenden.“

Harry: „Individuelle Rechte sind also die Basis für Weltfrieden. Aber Terror kann doch nicht durch Terror bekämpft werden, sondern nur durch Liebe oder Dialog.“

Yokura: „Fragst Du etwa, warum wir nicht einen Dialog mit Hitler geführt haben?“

Harry: „Nein, nein! Wie kannst Du so reden? Hitler hat schließlich sechs Millionen Juden umgebracht!“

Yokura: „Allein im Jahr 1940 hat er ungefähr eine Million Juden umgebracht. Keinem der Prominenten ist es damals eingefallen, einen Dialog mit Hitler vorzuschlagen.“

Harry: „Trotzdem hat er in Megazahlenhöhe Menschen umgebracht.“

Ryan: „Wenn wir Hitler als Maßstab nehmen, dann ist jeder Diktator glücklich, weil er sagen kann: ‚So schrecklich wie Hitler bin ich nicht! Ich habe nur Hunderttausende umgebracht.‘ Oder die Mörder-Terroristen in New York könnten behaupten: ‚Wir haben nur einige Tausend umgebracht. Wir sind gute Jungs.‘ Der ehemalige Präsident George Bush sen[10]. hatte nicht reagiert, als sechs Menschen 1993 im World Trade Center ermordet worden waren. Diese Mordtaten waren nicht ernst genommen worden. Deshalb konnten die Menschen im World Trade Center zum zweiten Mal angegriffen werden. Wenn Mr. Bush sen. nach unserem Maßstab reagiert hätte, gäbe es keine Opfer des 11. September!“

Harry: „Was soll unser Maßstab sein?“

Yokura: „Ein Verstoß gegen das Basisdoppelprinzip Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet! Weil ein Verstoß gegen dieses Prinzip ein Verstoß gegen die individuellen Rechte ist! Und die individuellen Rechte sind Voraussetzung für Weltfrieden.“

Harry: „Ich glaube trotzdem, dass ein Dialog sinnvoller wäre.“

Ryan: „Ein Dialog für Frieden mit Diktatoren oder Mördern? Das ist ein Widerspruch.“

Harry: „Wieso?“

Friedensdialog ad absurdum

Ryan: „Dialoge benötigen eine gemeinsame Wertebasis. Für den Diktator, der seine eigenen Bürger unterdrückt, stellt Freiheit keinen Wert dar. Für uns ist Freiheit ein Wert, für ihn ist er es nicht. Aber Freiheit ist die Voraussetzung für Frieden. Wie können wir tun, als wäre ein Dialog mit einem Freiheitsgegner das Mittel zum Frieden? Diktatoren und Friedensmenschen haben unterschiedliche Prämissen. Ein solcher Dialog wäre nicht erfolgreich, weder mit Hitler, noch einem Diktator, noch einem Mörder-Terroristen. Wir würden dann genau die Menschen unterstützen, die Krieg und Sklaverei wünschen.“

Wann ist ein Dialog sinnvoll?

Patrick: „Also sind Dialoge sinnlos?“

Yokura: „Dialoge sind sinnvoll. Ein Dialog mit einem Feind ist möglich, außer wenn

  1. er nicht an individuelle Rechte glaubt,
  2. er glaubt, er habe das Recht, das Individuum zum Wohl der Mehrheit zu töten oder seine individuellen Rechte zum Wohl der Mehrheit zu opfern, und
  3. er nicht glaubt, dass man mit Vernunft Probleme lösen kann.“

 

Ein Dialog ist sinnvoll, wenn der Gesprächspartner

  1. an die individuellen Rechte glaubt,
  2. er diese Rechte des Individuums nicht antastet und
  3. er Probleme durch Vernunft lösen will.

 

Harry: „Woher kommen denn Diktatoren überhaupt?“

Yokura: „Diktatoren kommen, weil wir sie sozusagen einladen. Wir selbst sind es, die keine Ahnung von individuellen Rechten haben.

 

‚Wer seine Rechte nicht kennt, verliert seine Rechte‘

hatte Mahatma Gandhi[11] gesagt.“

Max: „Was aber hilft, wenn Dialoge nicht helfen?“

Yokura: „Wenn der erste Schritt falsch ist, dann sind alle weiteren Schritte falsch. Euer Präsident Bush[12] hat eine schwierige Aufgabe. Es ist schwer für ihn, die richtigen Schritte einzuschlagen.“

Harry: „Warum ist es schwer für ihn?“

Yokura: „Mr. Bush hat dieses Problem mit den Terroristen sozusagen geerbt. Dieser Mordanschlag ist nicht der erste, der verübt worden ist. Ihr Amerikaner habt jedoch nicht dazu gelernt. Es ist wie in der Geschichte mit dem Löwen, dem Fuchs und dem Esel!“

Harry: „Ich kenne die Geschichte nicht. Erzähle einmal!“

 

Löwe, Fuchs und Esel

Yokura: „OK:

Es war einmal ein Fuchs, der eine Zeitlang den Löwen nicht gesehen hatte. Er ging vorsichtig in dessen Höhle. Dort sah er den Löwen abgemagert und deprimiert.

Der Fuchs wagte, mit dem Löwen zu reden und sagte: ‚Guten Morgen, Majestät. Ich habe dich lange Zeit nicht gesehen. Geht es dir nicht gut?‘ Der Löwe antwortete: ‚Nein. Ich wurde von einem Elefanten verwundet, den ich angegriffen habe. Ich kann nicht auf die Jagd gehen. Ich habe eine ganze Woche lang nichts gegessen.‘ Da sagte der Fuchs: ‚Ich auch nicht. Könntest du ein Tier töten, wenn ich es hierher brächte?‘ Der Löwe antwortete: ‚Gewiss. Aber welches Tier würde es riskieren, hierher zu kommen?‘ Der Fuchs meinte: ‚Überlasse das mir. Ich bringe ein Tier hierher. Wenn es nah bei dir ist, dann fang‘ es.‘ ‚Darauf bin ich gespannt‘, sagte der Löwe, ‚ich werde meinen Teil der Abmachung erfüllen.‘

Der Fuchs ging also in die Nachbarschaft zur anderen Seite des Waldes. Dort wohnte ein Esel. Der Fuchs sagte: ‚Guten Morgen, lieber Esel. Wie geht es dir?‘ Der Esel antwortete: ‚Schlecht, wie immer. Ich muss schwere Lasten tragen, den ganzen Tag.‘ Da sprach der Fuchs: ‚Warum bleibst du hier? Komm mit nach drüben! Da gibt es drei Eselinnen, die auf einen Freund warten.‘ Der Esel sagte: ‚Nein, leider kann ich nicht … aber hast du ‚Eselinnen‘ gesagt? Ich komme sofort!‘

Der Fuchs und der Esel gingen in freudiger Erwartung zu dem Löwen. Als der Esel in die Nähe des Löwen kam, setzte dieser zum Sprung an … – doch: Der Esel hatte den Löwen vorher gesehen und war voller Schreck davongelaufen, so schnell ihn seine Füße trugen. Der Löwe aber landete auf seinem Bauch.

Da sprach der Fuchs vorwurfsvoll: ‚Majestät, ich habe den Esel hierher gebracht und du konntest ihn nicht fangen!‘ Verzweifelt sprach der Löwe: ‚Entschuldigung, ich war etwas zu ungeduldig. Ich bin zu früh gesprungen!‘ Da sagte der Fuchs versöhnlich: ‚Ich bringe den Esel noch einmal her. Aber dieses Mal musst du ihn fangen.‘ Der Löwe sagte verwundert: ‚Aber sicher kommt der Esel kein zweites Mal.‘ Der Fuchs sprach: ‚Er wird kommen! Worauf du dich verlassen kannst! Doch du musst ihn dieses Mal fangen!‘ Der Löwe sagte: ‚Versprochen. Ich werde ihn bestimmt fangen!‘

Da ging der Fuchs erneut zum Esel. Dieser sagte: ‚Von wegen Eselinnen! Du hast mich zum Löwen gebracht.‘ Der Fuchs antwortete: ‚Löwe? Aber das waren doch die Eselinnen!‘ Der Esel sagte empört: ‚Ich habe einen Löwen gesehen. Das ist Realität!‘ Und der Fuchs antwortete: ‚Deine Realität! Es gibt mehr als eine Realität. Der Löwe ist eine Illusion. Deine Sinnesorgane sind unzuverlässig. Die drei Eselinnen waren so sehr in dich verliebt, dass sie aufsprangen, um dich zu umarmen. Es sind sehr leidenschaftliche Eselinnen! Und nun sind sie enttäuscht, dass du sie verlassen hast. Sie denken, du lehnst sie ab!‘ Der Esel überlegte: ‚Na, wenn das so ist! Ohh, die Armen! Ich bin ein liebevoller Esel, ich kann es nicht ertragen, wenn jemand leidet. Ich komme mit. Ich kann es kaum erwarten, sie glücklich zu machen.‘

Also gingen der Fuchs und der Esel wieder zum Löwen. Der Löwe brüllte ekstatisch vor Hunger und Vorfreude. Der Esel hörte das Brüllen und lief terrorisiert davon. Da sagte der Fuchs zum Löwen: ‚Majestät, du kannst nicht einmal einen Esel fangen, der direkt hierher zu dir kommt. Ich frage mich, wie du es gewagt hattet, einen Elefanten anzugreifen. Warum hast du denn überhaupt so gebrüllt?‘ Der Löwe sagte: ‚Ah, das war nur eine Konditionierung, eine alte Gewohnheit. Es tut mir leid, aber bringe mir ein anderes Tier und ich sage dir, mein treuer Knecht, ich werde dich dieses Mal nicht enttäuschen.‘ Der Fuchs sagte geduldig: ‚Gut. Ich bringe den Esel wieder.‘ Der Löwe war erstaunt und fragte: ‚Den Esel? Ein drittes Mal kommt er sicher nicht.‘ Der Fuchs sagte: ‚Ich bin sicher, dass er kommen wird!‘

Der Fuchs ging erneut zum Esel und fragte ihn: ‚Warum bist du denn weggelaufen?‘ Der Esel sagte: ‚Das fragst du mich? Das war ein Löwe! Ich habe sein Brüllen gehört und gesehen habe ich ihn auch! Nie und nimmer gehe ich noch einmal dorthin.‘ Der Fuchs sagte freundlich: ‚Löwe? Du weißt, unsere Sinnesorgane sind unzuverlässig. Was du gehört hast, war das Liebesschreien der Eselsdamen. Komm zu ihnen!‘

Esel: ‚Nein, ich bleibe hier!‘

Fuchs: ‚Die Damen können nicht leben ohne dich.‘

Esel: ‚Wirklich? Trotzdem bin ich nicht sicher, dass es kein Löwe war.‘

Fuchs: ‚Wenn man total verliebt ist, kann man spinnen und fantasieren. Du würdest nichts lieber tun, als die drei Eselinnen zu deinen Frauen zu machen, du alter Casanova, stimmt’s?‘

Esel: ‚Stimmt. Aber ich habe Bedenken.‘

Fuchs: ‚Wenn es ein Löwe wäre, würde dann ich selbst dort hin gegangen sein?‘

Esel: ‚Nein, denn du bist schlau – … wie ich auch. Aber trotzdem …‘

Fuchs: ‚Diese Chance würde ich nicht verpassen. Welcher Esel hat schon drei Gespielinnen auf einmal für sich ganz alleine? Die Eselinnen wollen nur dich. Sie haben vor, solange zu fasten, bis du kommst. Komm mit, und wisse, ich bin bei dir! Komm, … bevor ein anderer Esel …‘

Esel: ‚Ich habe letztes Mal einen solchen Schrecken bekommen!‘

Fuchs: ‚Welchen Schreck? Lebe im Hier und Jetzt! Du weißt, jede Situation ist neu zu betrachten, ohne Zusammenhang zu vorherigen Situationen.‘

Esel: ‚Meinst du wirklich? Ich habe aber Angst. Was, wenn der Löwe noch einmal auftaucht?‘

Fuchs: ‚Möchtest du in Angst leben? Überwinde sie! Ich habe dir immer wieder gesagt, dass das kein Löwe war. Jetzt komm!‘

Esel: ‚Ich brauche noch Zeit. Ich muss mich erst ein wenig zurückziehen.‘

Fuchs: ‚Nicht lange überlegen. Denke nicht an die Folgen. Handle jetzt. Jetzt ist die Zeit!‘

Esel: ‚Aber es hat zweimal nicht geklappt.‘

Fuchs: ‚Lebe im Hier und Jetzt, habe ich gesagt. Und wenn es nicht klappt, bleib am Ball der Gefühle. Versuche nicht, deinen Verstand einzuschalten und nach Ursachen zu fragen.‘

Esel: ‚Also meiner Erfahrung zufolge kann ich schlussfolgern …‘

Fuchs: ‚Du bist naiv. Das Leben ist komplex. Du kannst nichts verallgemeinern, das solltest du nicht tun. Lebe im Hier und Jetzt. Komm, was soll‘s?‘

Esel: ‚Also gut, aber ich komme erst morgen.‘

Fuchs: ‚Mein lieber Freund! Dieses gegenseitige Misstrauen ist wirklich schlecht. Du willst doch Liebe und Frieden haben, nicht wahr?‘

Esel: ‚Ja klar, wer will nicht in Liebe und Frieden leben?‘

Fuchs: ‚Dann musst du dein Misstrauen gegen die Eselinnen abbauen. Sonst werden sie ebenfalls misstrauisch werden. Diese Welt braucht Liebe und Frieden. Aber gut, wenn du misstrauisch bist …‘

Esel: ‚Ich bin nicht misstrauisch, aber kann ich nicht erst heute Abend gehen?‘

Fuchs: ‚Natürlich kannst du heute Abend gehen, oder von mir aus auch nächsten Monat. Mir ist das schließlich egal. Doch wenn ein anderer Esel sich die Eselinnen mittlerweile schnappt, kann ich dir auch nicht mehr helfen.‘

Esel: ‚Wenn sie mich aber lieben – wie du sagst, – dann werden sie sicherlich auf mich warten, oder?‘

Fuchs: ‚Ääh, natürlich. Aber warum willst du warten?‘

Esel: ‚Was, wenn der Löwe noch einmal kommt?‘

Fuchs: ‚Die Sinnesorgane täuschten dich. In der Wüste sieht man Wasser, aber es ist eine Illusion!‘

Esel: ‚Wir sind hier aber nicht in der Wüste.‘

Fuchs: ‚Egal. Die Sinnesorgane täuschen grundsätzlich. Die Ausnahmen sind die Regel. Morgen sagst du gar, dass zwei und zwei vier sind!‘

Esel: ‚Wieviel ist es denn dann, wenn nicht vier?‘

Fuchs: ‚Das weiß ich nicht. Niemand kann das wissen. Nichts kann mit Gewissheit gewusst werden.‘

Esel: ‚Ich war so gewiss, dass es ein Löwe war.‘

Fuchs: ‚Hör auf, immer deinen Verstand zu benutzen. Orientiere dich an deinen Gefühlen. Sie sagen dir, was richtig ist.‘

Esel: ‚Meine Gefühle sagen, dass ich Angst habe.‘

Fuchs: ‚Nein, die Gefühle der Liebe meine ich. Die Gefühle der Liebe, die du erleben willst. Wie würdest du dich fühlen, wenn du die Eselinnen besitzen würdest? Diese Erfahrung musst du machen, das sind Erfahrungen von Liebe und Frieden und Freiheit!‘

Esel: ‚Liebe, Frieden und Freiheit! Das ist es, was ich will!‘

Fuchs: ‚Dann komm sofort, bevor die Drei in ihrer Verzweiflung zu einem anderen Esel gehen. Übrigens habe ich vergessen, dir zu erzählen, dass die eine Eselin Miss Universum ist, die zweite ist Miss World, und die dritte ……! Ahhh, sie ist Miss Galaxy! … Doch, wenn du diese drei Weltschönheiten nicht haben willst, dann gehe ich jetzt endgültig und suche einen anderen Esel für die Drei! Und tschüss!‘

Esel: ‚Nein, nein, warte. Ich komme ja mit. Wow! Miss Universum und ….., alle für mich!‘

Fuchs: ‚Jetzt bist du vernünftig. Amor omia vincit[13].‘

Esel: ‚Vernünftig? Aber vorhin hast du doch gesagt, ich solle meinen Verstand nicht benutzen!‘

Fuchs: ‚Was ich vorhin gesagt habe, ist Urgeschichte. Was ich jetzt sage, ist aktuell. Komm jetzt!‘

Esel: ‚Du hast mich ja überzeugt, dennoch geht mir der Löwe nicht aus dem Kopf.‘

Fuchs: ‚Du erschaffst deine eigene Realität. Wenn du denkst, die Eselinnen sind Löwen, dann sind sie es.‘

Esel: ‚Aber beim ersten und zweiten Mal hatte ich doch an die Eselinnen gedacht, nicht etwa an einen Löwen.‘

Fuchs: ‚Trotzdem, die Tatsachen zählen nicht. Die Welt ist, was du denkst. Das ist das Prinzip.‘

Esel: ‚Aber jetzt bist du naiv. Die Welt ist komplex, wie du selbst gesagt hast!‘

Fuchs: ‚Ich? Naiv? Ich bin ein Fuchs, wie du weißt. Und jetzt denke an die Eselinnen. Komm, was soll’s?

Esel: ‚Gut, ich komme, doch mein Zweifel bleibt bestehen.‘

Fuchs: ‚Dein Misstrauen musst du jetzt aber endlich abbauen. Selbst wenn es der Löwe wäre, führe einen Dialog mit ihm! Zeige ihm, dass du ihm vertraust, und er wird dein Vertrauen erwidern.‘

Esel: ‚Mit einem Löwen werde ich nie reden!‘

Fuchs: ‚Wie können wir Liebe und Frieden und Freiheit verbreiten, wenn du so stur bist. Sei kein Extremist! Mache einen Kompromiss! Wenn du nicht bereit bist, den ganzen Weg zu gehen, dann gehe den halben Weg, und der Löwe … – ich meine, die Eselinnen -, kommen den anderen halben Weg entgegen. Das wird für dich eine Überraschung sein.‘

Esel: ‚Schön, aber bist du ganz sicher?‘

Fuchs: ‚Deine Angst kann ich verstehen. Ich würde auch Panik haben, wenn ich glauben würde, ich sähe einen Löwen. Aber, eine Frage: Bist du bereit, etwas für Liebe, Frieden und Freiheit zu tun? Und auch für …- ähh, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit?‘

Esel: ‚Natürlich. Das weißt du ganz genau.‘

Fuchs: ‚Pass auf! Du hattest drei Eselinnen erwartet und glaubtest in deinem Wahnsinn und in deinen Halluzinationen, dass du einen Löwen gesehen hast, stimmt’s?‘

Esel: ‚Ja.‘

Fuchs: ‚Jetzt tue Folgendes: Erwarte einen Löwen, dann siehst du ganz angenehm beglückt die drei Eselinnen in der Realität.‘

Esel: ‚Jetzt hast du mich völlig überzeugt. Das war eine völlig logische Argumentationskette. Ich komme mit. Sonst, was soll’s?‘

Der Fuchs und der Esel gingen zu dem Löwen. Der Löwe griff den Esel an und tötete ihn.

Harry: „Du liebe Güte! Während ich Dir zuhörte, Yokura, ging mir ein Kronleuchter nach dem anderen auf. Ich habe jede Menge Gedanken erkannt, die ich selbst hatte, und bei denen ich mir bisher nicht sicher war, in wie weit sie richtig oder falsch sind. In der Geschichte ist es ganz eindeutig, was richtig und was falsch ist.“

Max: „Dieser Fuchs hat gute Werte als Manipulation benutzt, um den Esel hereinzulegen und ihm zu schaden. Er hat dessen tiefste Sehnsüchte erkannt und ihn psychologisch ausgetrickst. Er hat richtige Aussagen in einen falschen Zusammenhang gestellt und den Esel dadurch verwirrt. Genau so listig hat er Wahres und Falsches gemixt, so dass der Esel völlig desorientiert wurde. Letztendlich hat er eine scheinlogische Kette geschmiedet, deren Glieder nicht aus stabilem Stahl, sondern aus Baiserteig[14] waren – süß, doch kraftlos -, und der Esel hat nichts gemerkt.“

Ryan: „Aus dieser Geschichte können wir wirklich viel lernen. Es ist wichtig, dass wir immer unser Unterscheidungsvermögen nutzen. Je gefestigter wir auf dem Fundament unserer Philosophie stehen, desto weniger kann uns ein ‚Fuchs‘ verunsichern!“

Anerkennung des Basisdoppelprinzips

Harry: „Ich habe eine Frage. Ich habe in einer Zeitung gelesen, dass Treue und Zuverlässigkeit schlecht sind, weil die Nazis treu und zuverlässig zu Hitler standen. Ist es also schlecht, treu zu sein? Immerhin kann Treue zu Gewalt führen!“

Max: „Treue und Zuverlässigkeit wurde bereits Tausende von Jahren vor Hitler geschätzt. Aber ich möchte mir natürlich dennoch keine Nazieigenschaften aneignen. Was ist hier die Lösung?“

Ryan: „Ganz einfach: Diese Eigenschaften sind wertlos, wenn das Basisdoppelprinzip nicht gleichzeitig angewendet wird.“

Yokura: „Ich wollte Euch noch sagen, dass ich nicht überrascht darüber war, dass die Menschen im World Trade Center ermordet wurden. Natürlich bin ich sehr erschüttert und traurig darüber und habe während der ersten Tage geholfen, die Feuerwehrleute mit Essen zu versorgen und die Angehörigen der Opfer zu trösten. Ich bin zwar nur zu Besuch in den Staaten, aber bei uns zu Hause arbeite ich als Krankenschwester.“

Harry: „Du warst nicht überrascht? Wieso nicht? Das musst Du uns erklären.“

Yokura: „Nicht zum ersten Mal war das World Trade Center Ziel eines Anschlags. Schon 1993 wurden sechs Menschen genau dort ermordet. Der damalige Präsident der USA hat aber nicht reagiert. Keiner hatte das Prinzip ‚Nicht –Töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-benutzt‘ ernst genommen. Keiner hatte klipp und klar und eindeutig von Mordterror oder Verletzung des höchsten Prinzips gesprochen und auf diese Weise die Mordtat verurteilt!“

Harry: „Nur sechs Leute! Das ist nicht so schlimm wie Tausende!“

Yokura: „Das eben ist das Problem. Entweder anerkennen wir das Prinzip und verteidigen es, oder nicht. Wenn der damalige Präsident in unserem Verständnis des Basisdoppelprinzips reagiert hätte, würde Mr. Bush heute kein Problem mit diesen Mordterroristen haben.“

Harry: „Wir haben gesagt, dass Frieden auf Freiheit basiert. Aber Freiheit kann auch zu Gewalt führen. Denkt an die Freiheitskämpfer!“

Max: „Wir sollten immer für individuelle Rechte kämpfen, anstatt für abstrakte Begriffe wie Freiheit oder Gleichheit oder Brüderlichkeit.“

Ryan: „Langsam, ich möchte erst wissen, warum Du sagst, Präsident Bush habe das Terroristenproblem geerbt.“

Yokura: „Das Basisdoppelprinzip wurde schon zuvor nicht anerkannt. Es gab Dutzende von Mord-Terrorakten in den letzten zwei Jahrzehnten. Nehmen wir als Beispiel die Geiselkrise im Jahr 1985. Präsident Reagan[15] sagte, er würde das Problem mit diplomatischen Mitteln lösen. Mr. Khomeini[16] hatte etwas, das die Amerikaner wollten – die amerikanischen Geiseln. Und die Amerikaner hatten etwas, das Mr. Khomeini wollte – Waffen und Ersatzteile. Mr. Reagan dachte, hier sei eine einmalige Gelegenheit, durch Handeln das Geiselproblem zu lösen. Am Anfang wollte Mr. Reagan das Problem ja nicht mit Diplomatie lösen, aber die Medien kritisierten ihn. Sie rieten Mr. Reagan dazu, kein Extremist zu sein. Er solle moderat sein, sagte man ihm. Er solle das Problem nicht durch Konfrontation, sondern durch Anpassung und Beschwichtigung – durch die Appeasementpolitik – und mit Kompromissen lösen. Mr. Reagan hatte Angst, als Extremist abgestempelt zu werden. Also schickte er Waffen zu Mr. Khomeini. Warum? Mr. Reagan dachte: ‚Ich und Mr. Khomeini haben ein fehlendes gegenseitiges Vertrauen zueinander. Wir müssen eine bessere Kommunikation führen und mehr Verständnis füreinander entwickeln. Wenn ich Mr. Khomeini die gewünschten Waffen schicke, so werde ich ihn glücklich machen, weil es zeigt, dass ich ihm vertraue. Wenn Mr. Khomeini die Geiseln frei lässt, so wird er mich glücklich machen, weil es zeigt, dass er mir vertraut.‘ – Nach der Waffenlieferung wurde eine Geisel frei gelassen. Mr. Reagan schickte noch zwei Waffenlieferungen, und zwei weitere Geiseln wurden frei gelassen. Und dann wurden drei neue Geiseln genommen. Mr. Reagan beschuldigte daraufhin die Medien. Er sagte, er wäre erfolgreich gewesen, wenn die Medien nicht durch ihre Berichterstattung alles durcheinander gebracht hätten.“

Max: „Wer ist schuld? Mr. Reagan oder Mr. Khomeini oder die Medien?“

Yokura: „Ich bin keine Richterin. Wir wollen lediglich aus unseren Fehlern lernen. Im Jahr 1983 hatte Amerika pazifistische, unbewaffnete Soldaten in den Libanon geschickt, wo Krieg herrschte. Sie standen mitten im Kreuzfeuer, um Amerikas Vorhaben durch Diplomatie und Verhandlungen zu lösen. Die 241 Soldaten waren beauftragt, sich nicht zu verteidigen, auch wenn sie angegriffen würden. Alle 241 Soldaten fielen im Krieg. Kein Protest von Amerika! Die Botschaft, die alle Terroristen bekamen, war: Man kann Amerika risikofrei angreifen.“

Max: „Aber die sabinischen Frauen hatten sich doch auch mitten ins Kreuzfeuer der Soldaten geworfen.“

Harry: „Welche sabinischen Frauen?“

Ryan: „Ach, das war 700 Jahre vor Christus. Die Männer hatten hart gearbeitet, um Rom zu gründen, aber sie hatten keine Frauen. Wie sollte es auf diese Weise mit den Nachkommen weitergehen? Die Männer gingen zu den Vätern des Nachbarstammes, den Sabinern, um um deren Töchter zu bitten. Die unbekannten Männer aber wurden von den Vätern abgelehnt. Also planten die Männer ein großes Sportfest, zu dem die sabinischen Väter und deren Töchter eingeladen wurden. Am Ende des Festes wurden die Töchter entführt und mit den Männern verheiratet. Die Väter erklärten den Krieg gegen die Römer. Auf dem Kriegsfeld standen die Väter auf der einen Seite und ihre Schwiegersöhne auf der anderen Seite. Bevor der Kampf begann, warfen sich die Frauen zwischen die Gegner. Die Frauen waren gleichzeitig auf der einen Seite Töchter der Soldaten und auf der anderen Seite Ehefrauen der Soldaten. Vielleicht wollte Präsident Reagan die sabinischen Frauen nachahmen. Der Unterschied ist, dass Reagans Soldaten nicht mit den Kämpfern verwandt waren. Bei den sabinischen Frauen war es anders. Sie waren entweder die Töchter oder die Ehefrauen der Kämpfer.“

Harry: „Aber was passierte den sabinischen Frauen?“

Ryan: „Die Soldaten beider Seiten hörten auf zu schießen, weil die Frauen entweder ihre Ehefrauen oder Töchter waren. Die Väter wollten wissen, ob ihre Töchter glücklich seien. Diese antworteten, dass sie glücklich seien. Ihre Männer behandelten sie wie Göttinnen. Die Väter waren also zufrieden und segneten ihre Schwiegersöhne.“

Harry: „Gut. – Moment mal, … sie hatten aufgehört zu schießen, sagtest Du? Das war siebenhundert Jahre vor Christus. Hatten sie damals Gewehre?“

Ryan: „Entschuldige. Das war ein Anachronismus[17]. Sie haben natürlich mit Schwertern gekämpft.“

Yokura: „Kommt zurück zum Ende des 20. Jahrhunderts nach Christus. Amerika hat das Image vermittelt, dass jeder amerikanische Bürger ungestraft angegriffen werden kann, also dass es für die Bürger keine Gerechtigkeit gibt – sie können ungestraft getötet werden! Das bedeutet, dass das Basisdoppelprinzip in Amerika ungültig ist.“

 

Wenn man sich nicht verteidigt, vermittelt man das Bild, dass man ungestraft getötet werden darf.

 

Selbstverteidigung

Harry: „Aber jeder kann im Namen der Selbstverteidigung andere Menschen umbringen. Und schon geht es wieder los.“

Ryan: „Unser Prinzip lautet, ‚Nicht der erste sein, der Gewalt benutzt‘!“

Harry: „Sicher gibt es Grenzfälle, bei denen es nicht klar ist, ob der Angreifer mich umbringen will.“

Ryan: „Es gibt Gesetze, dieses Problem zu lösen.“

Yokura: „Die Gesetze sind nicht ausreichend, sie können nicht alle Fälle berücksichtigen. Immer mehr Gesetze sind entworfen worden, um immer neue Fälle abzudecken.

 

Die Lösung muss von einer höheren Ebene stammen als die des Problems.“

 

Harry: „Und was ist die höhere Ebene?“

 

Die Lösungsebene der Moralität

Yokura: „Moralische Menschen brauchen keine Gesetze, sie verhalten sich automatisch richtig. Unmoralische Menschen verhalten sich unmoralisch trotz der Gesetze.

Der Mensch kann nicht durch viele Gesetze dazu gebracht werden, sich richtig zu benehmen. Er braucht einen Kodex der Moralität.

Er muss zuerst das Basisdoppelprinzip als das Prinzip anerkennen, dem alle anderen Prinzipien und Werte untergeordnet sind. Wenn alle Menschen in den Staaten fest dazu stehen würden, dann gäbe es keine Grenzfälle, d.h. Menschen würden nicht einfach Messer schwingen und die obersten Prinzipien anzweifeln. Sie würden ganz genau wissen, dass es nicht erlaubt wäre, Menschen zu gefährden und würden sich aus eigenen Sicherheitsgründen nicht so verdächtig benehmen, dass sie missverstanden werden könnten.“

Höheres Bewusstsein zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass es auf der Basis der Moralität und Ethik gründet.

Harry: „ … wenn alle Menschen in Amerika dazu stehen würden. Aber nicht alle Menschen stehen dazu.“

Ryan: „Nicht bewusst. Es ist den Menschen nicht klar, dass das Basisdoppelprinzip ‚Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet‘ das höchste Prinzip ist! Dass andere Prinzipien zwar wichtig sind, aber dass sie diesem obersten Prinzip untergeordnet sind. Dass man nicht der Erste sein darf, der Gewalt benutzt. Dieses Prinzip steht auch in den Heiligen Schriften und in den Verfassungen und Grundgesetzen. Ich sage also nichts Neues. Aber es wird, wie wir schon festgestellt haben, mit anderen Prinzipien vermischt und deshalb nicht mit Nachdruck hervorgehoben. Wie kannst Du Dir sonst erklären, dass ein Terrorist alleine zweihundert Passagiere in einem Flugzeug einschüchtern kann? Er weiß, dass die Passagiere keine Prinzipien haben. Sie geraten nur in Panik. Sie sind Opfer der Gefühle.“

Harry: „Was können die Passagiere tun?“

 

Möglichkeiten der Verteidigung

Ryan: „Schuhe werfen, Wolldecken werfen … Es wäre gut, wenn der Pilot und bestimmte Passagiere Pistolen hätten. Allein die Kenntnis davon, dass es bewaffnete Besatzung und Passagiere gibt, würde Terroristen abschrecken. Es ist wie im Fall von Rotkäppchen.“

Harry: „Rotkäppchen? Was meinst Du?“

Ryan: „Ich erzähle Euch, leicht abgewandelt, die Geschichte von Rotkäppchen aus dem Buch ‚Happy Life![18]‘, das ich letztens von einem Freund geschenkt bekam. Sie geht so:

Es war einmal ein kleines, süßes Mädchen, das jedermann lieb hatte, der es nur ansah. Am allerliebsten aber hatte es seine Großmutter. Sie schenkte dem Kind ein Käppchen aus rotem Samt und danach hieß es nur noch das Rotkäppchen. Eines Tages schickte es die Mutter mit Kuchen und Obst zur Großmutter, die wohnte draußen im Wald. Unterwegs begegnete dem Rotkäppchen der Wolf.

Wolf: „Guten Abend. Du …, du heißt …“

Rotkäppchen: „Rotkäppchen, aber ….“

Wolf: „Rotkäppchen! Das ist ein ungewöhnlicher Name. Erlaube mir, mich vorzustellen. Ich heiße Terr …, ähh, wie heiße ich?“

Rotkäppchen: „Du weißt nicht wie du …!“

Wolf (unterbricht schnell): „Doch.“ – (Er denkt, ‚Wie kann ich ihr sagen, dass ich Terrorswat heiße? Sie wird erschrecken. Aber Public-Relation-Tricks werden mir helfen. Ich muss mir nur eine neue Packung – einen neuen Namen geben. Die Leute erschrecken sonst!… Ah, ich werde mich ‚Süßlämmchen‘ nennen) – „Ich heiße, ähh … Süßlämmchen.“

Rotkäppchen: „Süßlämmchen? Entschuldige, Süßlämmchen, meine Mama hat gesagt, ich soll nicht mit Fremden reden.“

Wolf: „Was für ein glücklicher Zufall! Meine Mama hat mir genau das Gleiche gesagt!“

Rotkäppchen: „Dann tschüss!“

Wolf: „Moment mal!“ – (Er denkt: ‚Ich muss mir schnell etwas einfallen lassen. Die PR-Leute würden ‚Fremder‘ anders definieren. Ah, jetzt hab‘ ich’s!) – Deine Mama und meine Mama haben Recht. Wir sollen nicht mit Fremden reden. Aber überlege einmal. Wie können wir Fremde sein? Ich weiß, wie du heißt, und du weißt, wie ich heiße. Ich weiß, dass du vernünftig bist. (Er lacht insgeheim: ‚Hehehe. Es ist einfacher, als ich gedacht habe..‘.) … Aber … was suchst du denn da in deinem Korb?“

Rotkäppchen: „Ja, ich bin vernünftig. Du hast ‚Fremder‘ anders definiert, als meine Mutter. Clever! Aber clever bist du nicht allein! Komm nicht näher!“

Wolf: „Ha-ha-ha! Meinst du, du bist Furcht erregend für mich? …. Aber … was ist denn das?“

Rotkäppchen holte eine Pistole aus ihrem Korb und sagte: „Wenn du näher kommst, …“

Wolf: „Eine Pistole! Hilfe! Bitte nicht!“ Und er rannte davon.

Yokura: „Das war eine interessante Geschichte. Ich denke an Hitler. Er hatte die Schweiz nicht angegriffen, weil die Schweizer bewaffnet waren.“

Harry: „Angenommen, Hitler hätte die Juden nicht getötet, wäre dann alles angenehm für die Juden? Wenn er z.B. lediglich gesagt hätte, man solle nicht bei Juden einkaufen, wären die Juden dann zufriedener, weil sie nicht getötet worden wären?“

Ryan: „Nein! Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet ist nur das erste Prinzip, das alle anerkennen sollen, sowohl Gottgläubige als auch Atheisten.“

Harry: „Das ist der erste Schritt. Gut. Und was wäre der nächste Schritt?“

Höheres Bewusstsein entwickeln

Ryan:

Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst.‘[19]

Harry: „Aber das bedeutet in der Praxis wiederum Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet. Wir sind da, wo wir begonnen haben.“

Yokura: „‘Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst‘ ist die goldene Regel. Und diese Regel bedeutet mehr als Nicht-töten.“

Harry: „Und zwar was?“

Yokura: „Kommt darauf an, welches Bewusstsein der Einzelne hat. Du liest z.B. ein Buch, das Du schon vor zehn Jahren gelesen hast. Du verstehst das Buch mit jedem neuen Lesen tiefer. Du bekommst neue Erkenntnisse. So auch mit der goldenen Regel. Sie kann immer wieder tiefer verstanden werden. Am Anfang bedeutet sie Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein-der-Gewalt-benutzt. Danach geht es weiter. Du fängst an, Dich selbst zu lieben, dann Deine Familie usw. Es bedeutet noch viel mehr, aber das kann nicht gelehrt werden. Das Verständnis dafür kommt automatisch mit der Erhöhung des Bewusstseins. Wie das Bewusstsein wächst, so wächst auch das Verständnis.“

Harry: „Also versteht jeder die goldene Regel anders?“

Yokura: „Ja. Die erste Stufe der goldenen Regel ist Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein-der-Gewalt-benutzt. Das ist das Prinzip, das jeder Bürger anerkennen soll. Es ist ihm nicht überlassen, nach Willkür dieses Prinzip zu verletzen. Es gilt für jeden Bürger, gleich ob er ein Gläubiger oder ein Atheist ist.“

Harry: „Oder ein Extremist, Fanatiker, Fundamentalist oder einer der zehn Köpfe Ravanas! …

… Ich weiß, dass das Basisdoppelprinzip ‚Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein-der-Gewalt-benutzt‘ die erste Stufe der Bewusstseinsentwicklung ist. Aber bleiben wir doch nicht bei der ersten Stufe stehen! Welche konkreten weiteren Stufen gibt es?“

Yokura: „Es ist für den Anfang wunderbar, wenn jeder das Basisdoppelprinzip beachtet. Weitere Schritte kann jeder einzelne Mensch dann selbst gehen, indem er sein Bewusstsein erhöht. Niemand kann einen Menschen dazu zwingen, ein höheres Bewusstsein zu entwickeln.

Die individuellen Rechte, die für jeden Menschen gewährleistet sein sollten, ermöglichen es dem Einzelnen, sein Bewusstsein zu erhöhen.

Die Tausendmeilenreise beginnt mit dem ersten Schritt!“

Harry: „Und was ist der erste Schritt?“

Yokura: „Sich an das Basisdoppelprinzip zu halten. Wenn der erste Schritt richtig ist, erreichst Du Dein Ziel. Wenn der erste Schritt falsch ist, wenn Du das Basisdoppelprinzip missachtest, erreichst Du das Ziel nicht, wie z.B. …“

Ryan: „… Alice im Wunderland?[20] Das will ich Euch erzählen:

Alice im Wunderland kommt an eine Weggabelung. Sie fragt die Katze: „Welchen Weg soll ich nehmen?“ Die Katze will wissen, wohin sie gehen wolle. Alice kann es ihr nicht sagen. Sie weiß es nicht. Da sagt die Katze: „Es ist egal, welchen Weg du nimmst, wenn du dein Ziel nicht kennst. Du erreichst immer ein Ziel, irgendwelche Ziele, ob sie erwünscht sind oder nicht.“

Max: „Wenn wir die Welt sehen, wie sie heute von Gewalt beherrscht wird, können wir sagen, unser erster Schritt war offensichtlich falsch.“

Ryan: „Angenommen der erste Schritt, d.h. das Basisdoppelprinzip einzuhalten, wird von allen Bürgern begangen, was dann? Ich glaube, es gibt verschiedene Wege, das Bewusstsein zu erhöhen, ausgehend von dem Basisdoppelprinzip. Als Vorschlag würde ich einen wesentlichen Teil unseres Lebens unter die Lupe nehmen: unsere Arbeit. Ein Arbeitsplatz mit Mobbing[21] z.B. ist nicht schön.“

Harry: „Aber ist es nicht naiv, zu glauben, dass die bewusste Anerkennung dieses Basisdoppelprinzips alle möglichen Probleme lösen wird?“

 

A-B-C der Bewusstseinserhöhung

Ryan: „Ist es vielleicht naiv, das Lernen einer neuen Sprache mit dem A-B-C zu beginnen? Mit einfachen Vokabeln und kurzen Sätzen?“

Yokura: „Wenn wir den ersten Schritt in die falsche Richtung gehen, erreichen wir das richtige Ziel nicht, egal wie schnell wir gehen. Wenn der erste Schritt in die richtige Richtung geht, erreichen wir das Ziel, egal wie langsam wir uns fortbewegen. Die falsche Richtung kostet mehr Energie und Geld, wie Mr. Libro lernte.

Mr. Libro war in New York und wollte von der Grand Central Station in Manhattan nach Long Island gelangen. Er fragt einen Taxifahrer, wieviel es kostet, nach Long Island zu fahren. ‚Es kostet ca. 50 Dollar‘, sagt der Taxifahrer. Mr. Libro empört sich: ‚Was? Das ist zu viel. Ich gehe lieber zu Fuß.‘ Der Taxifahrer: ‚Zu Fuß? Wenn Sie wollen. Ich folge Ihnen nach, falls Sie es sich anders überlegen.‘ Mr. Libro läuft und läuft. Er scheint seinem Ziel nicht näher zu kommen. Er ist ganz erschöpft. So lange war er gelaufen. Da sieht er den Taxifahrer, der ihm die ganze Zeit gefolgt war und winkt ihm zu. ‚Ich bin müde. Ich will das Taxi jetzt doch nehmen.‘ Der Taxifahrer sagt: Es kostet jetzt 100 Dollar.‘ Mr. Libro ist wütend: ‚Wieso? Ich bin doch bereits einen langen Weg zu Fuß gegangen.‘ Da sagt der Taxifahrer: ‚Sie sind aber in die falsche Richtung gegangen. Sie sind in Richtung Bronx gelaufen. Nach Long Island aber geht es in die andere Richtung.‘“

Max: „Der arme Mr. Libro! Es ist also in Ordnung, damit zu beginnen, in die richtige Richtung zu gehen, sozusagen mit dem A-B-C anzufangen. Wir machen dann automatisch Fortschritte. Fangen wir deshalb mit dem Basisdoppelprinzip an. Dann erweitern wir unser Bewusstsein automatisch … Aber … wie weit kann unser Bewusstsein erhöht werden. Gibt es eine Grenze?“

Unendlich hohes Bewusstsein

Yokura: „Das Bewusstsein kann unendlich erweitert und erhöht werden. Eine Glühbirne hat 20 Watt, 40 Watt, 100 Watt. Denkt an eine Glühbirne, die ständig heller wird, die tausend oder zehntausend oder eine Million Watt hell erstrahlt!“

Harry: „Das kann ich mir nicht vorstellen.“

Ryan: „Doch. Die Sonne ist sehr hell!“

Harry: „Und wieviele Watt Energie hat die Sonne?“

Ryan: „Ich weiß es nicht genau. Ich glaube 24 gefolgt von 26 Nullen Watt. Und die Sonne ist nur ein Mini-Stern.“

Unser Bewusstsein kann unendlich erhöht werden.

Harry: „Das ist ja klasse! Also gibt es keine Grenze. Was ist mit erleuchteten Menschen? Haben sie eine Grenze erreicht?“

Yokura: „Es gibt keine Grenze! Sie bleiben nicht stehen. Ihr Bewusstsein geht immer höher und höher.“

Harry: „Wird mein Bewusstsein auch erhöht werden?“

Ryan: „Du hast heute ein höheres Bewusstsein als vor fünf Jahren.“

Harry: „Aber nicht ein so hohes wie Yokura!“

 

Der Maßstab

Yokura: „Vergleiche Dich nie mit anderen. Vergleiche Dich mit Dir selbst. Wie warst Du vor fünf Jahren? Hast Du jetzt ein höheres Bewusstsein, als Du es vor fünf Jahren hattest?“

Harry: „Na klar habe ich das! Und wieviele Watt hat Ryan sozusagen?“

Yokura: „Ich bin keine Richterin. Bitte richte niemanden. Richte nur seine Taten, ob sie das Basisdoppelprinzip beachten oder nicht.“

Harry: „Auch die Menschen mit höherem Bewusstsein achten dieses Basisdoppelprinzip. Doch sag‘ mir, geht die Bewusstseinserhöhung schneller durch mystische Erfahrungen und Meditationen?“

Einsichten erlangen

Yokura: „Ja, aber nicht allein. Denke an einen Wald, der z.B. aus zehntausend Bäumen besteht. Jeder Baum ist durchschnittlich drei oder vier Meter von dem anderen Baum entfernt. Aber wenn jeder Baum fünfhundert Meter von dem anderen Baum entfernt wäre, wäre es kein Wald. Ein erleuchteter Mensch kann nicht doof sein. Durch mystische Erfahrungen oder Meditation allein kann man keine Einsichten bekommen. Man muss auch liebevoll sein und vor allem weise.“

Harry: „Ist Liebe allein nicht ausreichend?“

Yokura: „Dazu fällt mir wieder eine Geschichte ein:

Ein Bär war sehr liebevoll. Er ging an einen Fluss und fing die Fische und warf sie ans Ufer. Sein Freund Winnie kam und fragt ihn, was er da mache. Der Bär antwortete: ‚Diese Welt braucht Liebe.‘ Winnie fragte wieder: ‚Aber was machst Du?‘ Da sagte der Bär: ‚Ich rette die Fische vor dem Ertrinken.‘“

Harry: „Ich verstehe. Also Liebe und Wissen, beide sind notwendig. Aber Wissen ist nicht Weisheit, oder?“

Yokura: „Nein, Du kannst alle Bücher der Welt lesen, auswendig lernen und zitieren. Das macht Dich nicht weise. Ein Esel, der in einer Bibliothek wohnt, ist nicht zwangsläufig weise oder erleuchtet. Noch ist eine Maus spirituell, die in einer Kirche wohnt.“

Ryan: „Die Heiligen Schriften enthalten Weisheiten, aber diese Weisheiten sind nicht unsere Weisheiten, nicht unsere Erfahrungen. Die Menschen wiederholen oft Worte wie Papageien. Christus meinte, was er sagte. Wir nicht. Die Anweisung: ‚Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst‘ kann von jedem Menschen unterschiedlich ausgelegt werden. Die gleiche goldene Regel bedeutet unterschiedliche Dinge z.B. für Mutter Teresa[22], die Inquisition oder Casanova[23].“

Max: „Ich verstehe nicht, wie Du die Inquisition in den gleichen Topf werfen kannst. Sicherlich haben jene Menschen nicht an die Liebe geglaubt!“

Harry: „Der Bär wollte die Fische vor dem Ertrinken retten. Das kann ich verstehen. Das war Liebe ohne Weisheit. Wie aber steht es mit den Inquisitoren?“

Ryan: „Die Inquisitoren wollten die Seelen für Christus gewinnen. Sie kämpften für Christus, aus Liebe für Christus. Sie hatten alle individuellen Rechte, die Christus lehrte, ungültig gemacht. Dennoch glaubten sie, sie würden Gott einen Gefallen tun. Und sie waren aufrichtig und fromm wie der Bär.“

Harry: „Also sind Aufrichtigkeit und Frömmigkeit auch keine Tugenden?“

Ryan: „Doch, aber nur, wenn sie, wie die Treue, mit dem Basisdoppelprinzip verbunden sind.“

Harry: „Ach so. Ja, natürlich. Jetzt verstehe ich es.“

Erleuchtung

Yokura: „Zurück zum Thema ‚Erleuchtung‘. Jeder ist erleuchtet, und jeder wird mehr und mehr erleuchtet werden. Erleuchtung beinhaltet Liebe, Weisheit und Einsichten. Es beinhaltet auch, unsere starren Denkmuster, die uns unglücklich machen, zu lösen.“

Harry: „ … die uns unglücklich machen! Also ist Glückseligkeit ein Teil der Erleuchtung wie Liebe, Weisheit und Einsichten?“

Yokura: „Genau!“

Harry: „Du wolltest uns sagen, wie man Einsichten bekommt.“

Yokura: „Durch Bücherlesen unter anderem!“

Harry: „Jetzt bin ich verwirrt. Du hast vorhin gesagt, Bücherlesen führe nicht zur Weisheit!“

Yokura: „Das stimmt nach wie vor. Aber ohne Bücherlesen gibt es auch keine Weisheit. Ohne Erfahrungen gibt es keine Weisheit. Jedes Buch, jede Erfahrung ist wie ein Baum. Einzelne Bäume sind noch kein Wald, wenn sie weit voneinander entfernt stehen. Nur wenn sie nah beieinander stehen, bilden sie einen Wald. Also wenn man Bücher liest, sammelt man sozusagen die ‚Bäume‘. Alles, was Du tun kannst, ist ‚Bäume zu sammeln‘. Irgendwann kommen durch Einsichten die Bäume zusammen, und – presto! – Du hast einen Wald der Erleuchtung.

Die Bäume, die weit von einander weg stehen, sind die einzelnen Wissensbausteine und Erfahrungen ohne Zusammenhänge. Die Bausteine fügen sich durch Einsichten Stück für Stück wie in einem Puzzle zusammen und ergeben dann einen Wald, bzw. lassen einen immer größeren Ausschnitt eines unendlichen Gesamtbildes erkennen. Wenn Du also eine Einsicht hast, siehst Du die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Wissensbausteinen, d.h. dann sind die Bäume nah beieinander und bilden einen Wald.“

Harry: „Wenn ich also etwas richtig verstanden habe, dann ist das eine Einsicht, die sozusagen die Bäume zum Wald zusammenrücken lässt. Und die einzelnen Wissensbausteine sind die einzelnen Bäume.“

Yokura: „Genau, und Einsichten können u. a. durch Meditation, oder sagen wir durch ‚Spazierengehen‘, gewonnen werden.“

Patrick: „Durch Spazierengehen?“

Yokura: „Ja, Einsichten entstehen in der Entspannung, wenn vorher genügend Wissensstücke gesammelt wurden. Die Einsicht bringt zwei oder mehr verschiedene Wissenstücke zusammen. Du siehst Zusammenhänge, die Du früher nicht erkannt hattest. Wenn Du z.B. ein Buch liest, das Du schon vorher gelesen hattest, erkennst Du neue Zusammenhänge.“

Harry: „Also ich bekomme neue Einsichten. Und wie kann ich die Bäume zusammen bringen?“

Yokura: „Wie gesagt durch Meditation, Beten, Spazierengehen, Musik hören, Sport, Ruhe, Aktivität oder tausend andere Dinge. Es gibt nicht nur einen Weg zum höheren Bewusstsein, sondern viele Wege. Wenn es nur einen Weg gäbe, der noch dazu garantiert wäre, dann wären ja alle Menschen schnell erleuchtet.“

Harry: „Was kann ich dann machen? Nur Bücher lesen, Erfahrungen sammeln, lernen?“

Yokura: „Du hast es richtig verstanden. Zu meditieren, wenn Du keine oder zu wenig ‚Bäume‘ hast, bringt Dich nicht weiter. Du bekommst dadurch zwar Ruhe und Gelassenheit, aber nicht unbedingt Einsichten. Je mehr Bäume man hat, desto mehr Chancen gibt es, einen Wald zu formen.“

Harry: „Also wenn ich Dich wirklich richtig verstanden habe: Bücherlesen und Erfahrungen sind nicht Weisheit, aber ohne Bücherlesen und Erfahrungen gibt es keine Weisheit. Oder anders ausgedrückt: Bäume sind nicht ein Wald, aber ohne Bäume gibt es keinen Wald. – Doch warte, so viele Bücher sind voller Irrtümer!“

Yokura: „Ja, es gibt keine Garantie, keine Liste von Büchern, die garantiert zu Weisheit führen. Du musst die Bücher lesen, die guten wie die schlechten.“

Harry: „Aber ich möchte irgendwo anfangen. Ich möchte von Dir lernen. Ganz konkret, welche Bücher soll ich lesen, nein, welche Bücher hast Du gelesen?“

Yokura: „Das hilft Dir nicht. Lies die Bücher, die Dir gefallen. Weißt Du, Edison, der große Erfinder, fing sein Berufsleben mit Zeitungsverkäufen an. Stell Dir das vor: Ein junger Mann will Erfinder werden und beginnt damit, Zeitungen zu verkaufen! Im Gegensatz dazu hatte ein Suchender gelesen, dass Buddha erleuchtet wurde, als er unter einem Baum saß. Also entschied er, auch unter einem Baum zu sitzen, in der Hoffnung, erleuchtet zu werden.“

Harry: „Witzig! Aber trotzdem! Bitte, sage mir, was für Bücher Du gelesen hast!“

Yokura: „Jules Verne, Aristoteles, Victor Hugo, Shakespeare, Goethe …“

Harry: „Stop! Wie können diese Bücher mich zur Erleuchtung führen?“

Yokura: „Ich habe nicht gesagt, dass diese Bücher zu Erleuchtungen führen, weder diese noch irgendwelche Bücher. Aber ohne Bücher und Erfahrungen gibt es keine Weisheit. Lies ruhig andere Bücher! Der Chemiker Kekule[24] hatte eine wichtige Einsicht nicht durch Meditation erworben, sondern durch einen Traum, der Licht auf sein Chemieformel-Problem warf. Er war ein erfahrener Chemiker und nur aufgrund seines Wissens- und Erfahrungsschatzes konnte er durch diesen Traum eine Einsicht über die Lösung erhalten.“

Harry: „Also muss ich Bücher lesen und auch immer weiter lernen. Na gut. Darf ich auch Comics lesen?“

Yokura: „Es gibt keine Vorschriften. Aristoteles oder Comics. Lies, was Du willst. Es gibt auf jeden Fall keine Garantie. Habe den Glauben, dass die Einsichten kommen, und zwar meist dann, wenn Du es nicht erwartest. Auch ist es keine Bedingung, Bücher zu lesen, um erleuchtet zu werden. Es gibt keine Bedingungen.“

Harry: „Wenn ich richtig verstanden habe, brauche ich also nicht unbedingt Bücher zu lesen?“

Yokura: „Nein. Durch unser Gespräch heute haben wir alle so viel gelernt. Und auch unsere praktischen Alltagserfahrungen lehren uns viel.“

Harry: „Welche Erfahrungen? Muss ich lernen, wie ich mich in bestimmten Situationen fühle?“

Yokura: „Mach‘ keine konstruierten Erfahrungen um der Erfahrung willen. Du kannst den Fluss nicht schieben. Wenn Du kein Einsiedler bist, bietet Dir das Leben automatisch genügend Möglichkeiten, Erfahrungen zu sammeln. Jede Erfahrung ist gut. Bemühe Dich darum, anderen Menschen nicht absichtlich zu schaden.“

Harry: „Aber viele Menschen sind doch durch Meditation allein erleuchtet worden!“

Yokura: „Wen meinst Du, … Buddha?“

Ryan: „Buddha hatte viele Lehrer besucht und von allen gelernt. Er hatte durch sein Lernen viele ‚Bäume‘ gesammelt. Die Meditation hat ihm dann die Einsicht gebracht, als er unter dem Baum saß.“

Patrick: „Der Baum hatte gar nichts mit seiner Erleuchtung zu tun?“

Yokura: „In Indien ist es heiß. Der Baum gibt Schatten. Es ist normal, dass man in einem heißen Land entspannter ist, wenn man im Schatten sitzt. In der Entspannung konnten die ‚Bäume des Wissens‘ zu einem ‚Wald der Erkenntnis‘ zusammenwachsen. Und jeden Tag wurde Buddha mehr und mehr erleuchtet. Vergiss nicht, dass man erleuchtet wird, wenn man Wissen angesammelt hat, wie Buddha. Jede kleine Einsicht führt zu einer Minierleuchtung.“

Harry: „Das heißt, die Glühbirne wird ein oder zwei Watt heller werden?“

Yokura: „Genau!“

Harry: „Dann bin ich auch erleuchtet. Aber ich bin nicht hoch entwickelt. Erleuchtung muss doch sicher ein gewisses Niveau haben, sagen wir, ein ‚Mindestwatt‘. Nicht so hoch wie Christus, aber auch nicht so tief …“

Ryan: „Oh-oh-oh! Du vergleichst Dich mit Christus. Vergleiche Dich nur mit Dir selbst. Um Dich zu inspirieren kannst Du Christus natürlich als Vorbild nehmen. Aber vergleiche Dich nur mit Dir selbst. Du bist um einige Watt heller als letzten Monat.“

Harry: „Ich bin sogar ein bisschen heller als gestern! Juhuu! Aber jetzt habe ich noch eine Frage: Du sagst, Erleuchtung besteht aus Weisheit und Liebe. Weisheit besteht u.a. aus Einsichten und Freiheit von starren negativen Gedankenmustern. Kann Meditation mich von diesen Gedankenmustern befreien?“

Negative Gedankenmuster

Yokura: „Durch Meditation kam jedenfalls keiner in Indien auf die Idee, dass die Witwenverbrennung falsch war. Man denkt meist, die eigenen Ideen seien absolut richtig. Wie kann man sich von seinen negativen Gedankenmustern befreien? Ein Inquisitor glaubt auch, er habe Recht.“

Harry: „Er ist überzeugt von dem, was er glaubt.“

Yokura: „Eigentlich hat er Zweifel.“

Harry: „Was?“

Yokura: „Ja, sein Zweifel ist wie eine bittere Pille, die mit dem Zucker seines Glaubens überzogen ist. Wenn ein Andersdenkender seinen Glauben in Frage stellt, hat er Angst, dass der Zuckerglaube angekratzt und die bittere Pille des Zweifels offenbar wird. Deshalb greift er die so genannten ‚Ungläubigen‘ an! Er will seinen Glauben dadurch bewahren.“

Harry: „Durch Innenschau konnte man also die Ungerechtigkeit der Witwenverbrennung und der Inquisition nicht einsehen. Das Volk hat jedenfalls keinen Widerstand dagegen geleistet! – Doch gib mir ein Beispiel von einem Gedankenmuster, das ich selbst habe!“

Yokura: „Das kann ich nicht. Aber ich kann von meinen eigenen Gedankenmustern berichten, die ich anerkannt und gelöst habe.“

Harry: „Gut, erzähle!“

 

Immer mehr Einsichten gewinnen

Yokura: „Ich hatte früher gedacht, nur religiöse Menschen seien erleuchtet. Ich hatte dann die Einsicht, dass Gott sich in unendlichen Wegen manifestiert. Also musste es auch erleuchtete Menschen geben, die nicht religiös sind. Wir bezeichnen meist nur religiöse Menschen als erleuchtet. Ich hatte gedacht: ‚Warum wird Aristoteles nicht als erleuchtet anerkannt? Was ist mit Michelangelo, Shakespeare, Kalidasa[25], Newton, Mozart? Jede Mutter, die kocht und Kinder erzieht, bekommt Einsichten. Und Einsichten sind die Grundlage der Weisheit. Das alte Denkmuster, dass nur religiöse Menschen erleuchtet seien, habe ich erkannt und mit etwas Schwierigkeit abgelöst.“

Harry: „Also hast Du die alten Denkmuster gelöst und denkst jetzt, dass nicht nur religiöse Menschen, sondern auch Hausfrauen, Künstler, Lehrer, Politiker, Richter, Polizisten, Erfinder, Sportler, Journalisten erleuchtet sind und täglich mehr und mehr erleuchtet werden. Du hast die einzelnen Bäume erkannt. Die ‚Bäume‘ sind

  1. das Konzept Erleuchtung,
  2. die Kenntnis, dass Gott sich in unendlichen Wegen manifestiert,
  3. die bekannten erleuchteten Menschen: Christus, Buddha, Ramakrishna, Mutter Teresa,
  4. die Kenntnis, dass alle erleuchteten Menschen religiöse Menschen waren,
  5. die Tatsache, dass Michelangelo, Aristoteles, da Vinci, Newton, Florence Nightingale weise waren, und
  6. dass Weisheit ein Teil der Erleuchtung ist.

Du hast dann die Bäume in einer Einsicht zusammen gebracht und erkannt,

  1. dass Aristoteles auch erleuchtet war, und
  2. dass deshalb auch nicht-religiöse Menschen erleuchtet sind.

Wenn Du die Tatsachen, bzw. ‚Bäume‘, nicht gesammelt hättest, würdest Du keine Einsicht oder Minierleuchtung erlebt haben. Du hattest Christus und Michelangelo zusammen gebracht, weil beide Gotteskinder sind – alle Menschen sind Gotteskinder! – und Du hast den Begriff Erleuchtung erweitert, so dass auch nicht-religiöse Menschen darunter fallen. Erleuchtung ist also nicht das Monopol religiöser Menschen.“

Ryan: „Und Erleuchtung ist kein Endzustand, keine Sackgasse. Man geht weiter, unendlich weiter.“

Harry: „Oh, gut! Das wäre schade, wenn Erleuchtung die Grenze des Bewusstseins dargestellt hätte. Wenn es so wäre, könnte ein erleuchteter Mensch sich nicht weiter entwickeln. Er bliebe stehen für immer. Das wäre schrecklich. Es ist so aufregend, zu wissen, dass man immer mehr und mehr erleuchtet werden kann. Es wäre schade, wenn Buddha heute auf die Erde käme und nichts Neues mehr zu erzählen hätte, wenn er das Gleiche wiederholen würde, was er vor 2600 Jahren erzählt hatte. Aber die Schüler Buddhas und Christi sprechen ohne eigenes Nachdenken nach, was 2000 Jahre zuvor gesprochen worden war.“

Yokura: „Das heißt nicht, dass das, was Christus gesagt hat, ungültig ist. Sein Wissen ist nach wie vor gültig, und wir erweitern unseren Kontext durch neues Wissen.“

Harry (immer noch nachdenklich): „Man kann sich von seinen Konditionierungen nicht durch Innenschau lösen. Man gesteht sogar oft sich selbst nicht ein, dass man konditioniert ist.“

Yokura: „Ja, z.B. leben wir alle unter dem Gesetz der Gravitation. Unbewusst hatten wir das erkannt. Erst Newton aber hat das in unser Bewusstsein gebracht.“

Harry: „Ich habe eine Einsicht. Ich bringe zwei Konzepte oder zwei Bäume zusammen: Gravitation und das Basisdoppelprinzip! Beide waren unbewusst von allen Menschen anerkannt worden. Jetzt werden beide bewusst anerkannt.“

Erkenntnisse

Max: „Wir haben mehr ‚Bäume‘ gesammelt, sozusagen.“

Ryan: „Oder wir haben die Wattstärke erhöht.“

Patrick: „Und die Glühbirne heller gemacht.“

Yokura: „Und wir sind mehr erleuchtet geworden.“

Ryan: „Wir haben eine Minierleuchtung gehabt.“

Harry: „Oder ein Aha-Erlebnis. All das bedeutet das Gleiche. Auch das ist eine Einsicht!“

Max: „Jede weitere Einsicht oder neue Erkenntnis hat dem alten Wissen nicht widersprochen. Wir haben das alte Wissen in einen neuen Kontext gebracht.“

Harry: „Mein Kopf raucht schon! Wir machen besser eine Pause! Lasst uns eine Tasse Lapachotee trinken!“

Die  zehn Köpfe Ravanas

Nach einer gemütlichen Tee-und-Keks-Pause unterhalten sich die Freunde weiter.

Harry: „Wir haben vorhin über die Köpfe Ravanas gesprochen. Mit dem Basisdoppelprinzip schlagen wir die zehn Köpfe ab. Ich möchte wissen, was diese zehn Köpfe sind. Einige haben wir ja schon. Lebensverachtenden Extremismus, lebensverachtenden Fundamentalismus. Sind Euch noch mehr ‚Köpfe‘ eingefallen?“

Patrick: „Wie wäre es mit Mobbing, Intoleranz, Rassismus?“

Max: „Mobbing? Mobbing führt nicht zu Gewalt!“

Harry: „Aber wird lebensverachtender Extremismus oder lebensverachtender Rassismus durch Beachtung des Basisdoppelprinzips verschwinden?“

Yokura: „So naiv sind wir nicht. Aber die echte Lösung kommt immer von einer höheren Ebene als das Problem. Nur eine solche Lösung ist eine echte Lösung, oder zumindest eine Lösung in die richtige Richtung. Ich weiß nicht, ob Rassismus durch bewusste Anerkennung des Basisdoppelprinzips beseitigt wird. Aber ich weiß, dass Rassismus nicht durch Blondinen-Witze beseitigt werden kann.“

Harry: „Weil die Lösung durch Blondinen-Witze auf der gleichen Ebene ist wie das Problem des Rassismus.“

Max: „Hey! Das war eine Einsicht! Wir haben Ravanas Kopf, Rassismus, das Basisdoppelprinzip und Blondinen-Witze zusammen gebracht. Das war eine Minierleuchtung!“

Harry: „Wir haben … wieviele Köpfe? Lebensverachtender Fundamentalismus, lebensverachtender Extremismus, lebensverachtender Fanatismus, Rassismus, Intoleranz …“

Max: „Du meinst sicher lebensverachtende Intoleranz. Wenn wir intolerant sind gegenüber Morden und Verstößen gegen unsere individuellen Rechte, dann sind wir ‚für das Leben‘. Eine solche Intoleranz ist lebensbejahend, also positiv. – Lebensverachtende Intoleranz ist es dann, wenn unser Leben und unsere individuellen Rechte von anderen nicht toleriert werden – das ist eine Intoleranz ‚gegen das Leben‘, und die wäre ein Kopf Ravanas.“

Harry: „Natürlich, Du hast völlig Recht! Also weiter: lebensverachtende Intoleranz! Das sind fünf. Wir brauchen noch weitere fünf. Vielleicht Hass, Egoismus, Habgier?“

Yokura: „Ich glaube nicht. Ich bin habgierig und mein Mann ist egoistisch. Wir sind nicht gewalttätig. Aber wir müssen auch nicht versuchen, die zehn Köpfe Ravanas zu finden. Wenn wir sie finden, ist es gut. Wenn nicht, ist es auch gut.“

Harry: „Was ist mit Hass?“

Yokura: „Hass, dessen Kennzeichen auch Neid und Rache sind, kommt vielleicht unter die Rubrik ‚lebensverachtende Intoleranz‘. Deshalb ist Hass auf jeden Fall ein ‚Kopf des Ravana‘.“

Harry: „Ah! Mir ist noch ein ‚Kopf‘ eingefallen. Wie steht es mit dem ‘Kasteismus‘?“[26]

Yokura: „‘Kasteismus’? Ich weiß nicht .. ja, doch, ich habe eine Einsicht. Das ist das selbe oder ähnlich wie Rassismus.

Die Harijans oder die Angehörigen der niedrigen Kasten in Indien durften früher nicht in die Tempel eintreten. Die Brahmanen[27] sind dann gezwungen worden, die Tempeltüren für die Harijans zu öffnen. Das Bewusstsein der Brahmanen aber war durch diesen Zwang nicht geändert. Sie dachten nach wie vor, dass Gott in einem Brahmanentempel zu finden sei, und dass nur Brahmanen Zugang dazu erhalten sollten. Sie ließen die Harijans deshalb nicht freiwillig, sondern nur gezwungenermaßen in die Tempel eintreten. War also durch diese Anordnung der ‘Kasteismus’ beseitigt?

Um ‘Kasteismus’ zu beseitigen hatten die Politiker überall Arbeitsplätze in der Regierung und Sitze in den Universitäten für Harijans reserviert. Ich weiß nicht, wieviele, ich glaube bis zu 40% der Stellen sind für die Harijans reserviert worden. Jetzt kämpfen die anderen Kasten ebenfalls für Sonderrechte. Statt ‘Kasteismus’ zu beseitigen, ist ‘Kasteismus’ in Indien auf diese ‚verordnete‘ Weise sogar verfestigt worden. Die Universitäten fragen die Leute nach ihrer Kaste, wenn diese eine Zulassung zur Universität beantragen. Weil die niedrigeren Kasten bevorzugt werden, bemühen sich die anderen Kasten darum, zu beweisen, dass sie zu den unterdrückten, niedrigeren Kasten gehören.

Diese Lösung ist gut gemeint, aber ineffektiv. Die Brahmanen akzeptieren die Harijans immer noch nicht in ihrem Herzen. Nur wenn das Prinzip ‚Achtung vor

  1. dem Leben
  2. dem Besitz des anderen Menschen und
  3. den individuellen Rechten des Einzelnen‘

überall verstanden und gelehrt wird, werden wir frei sein von den zehn Köpfen des Ravana.“

Erziehung zur Achtung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit

Ryans kleine Kinder, Frank und John kommen ins Zimmer, heftig streitend. Plötzlich schlägt John seinen kleinen Bruder Frank.

Harry: „Oh – was tun wir jetzt?“

Ryan (mit starker Ausstrahlung): „John, es ist ausdrücklich verboten, Frank zu schlagen. Wenn Du eine Beschwerde hast, sage sie mir. Du kannst auch, wenn Du eine Wut auf Frank hast, ein Bild malen und das Bild schlagen. Du kannst auch Dein Kopfkissen verprügeln. Oder Du machst ein wütendes Gesicht und zeigst Deinen Ärger dadurch deutlich. Auf keinen Fall jedoch darfst Du Frank schlagen.“

John: „Es tut mir leid.“

Die Kinder gehen betroffen in ihr Zimmer zurück.

 

Richtige Ausdrucksweise

Yokura: „Ich hatte von Rassismus gesprochen, bevor die Kinder ihren Streit hatten. Wenn ein weißer Mann einen weißen Mann ermordet, ist es Mord. Aber wenn ein weißer Mann einen schwarzen Mann ermordet, nennen wir es Rassismus.“

Patrick: „Wie sollen wir es denn nennen?“

Yokura: „Mord! Ein Verstoß gegen das Basisdoppelprinzip!“

Harry: „Aber Rassismus führte zu dieser Tat.“

Patrick: „Oder Extremismus. Extremismus kann zu Gewalt führen und müsste demzufolge auch bekämpft werden.“

Yokura: „Ich bin überrascht, dass Du das sagst, denn auch Religion kann zu Gewalt führen. Wir verurteilen aber den Verstoß gegen das Basisdoppelprinzip. Überlegt einmal: Einen weißen oder einen schwarzen Mann zu töten, ist beides gleich schlimm. Beides ist ein Verstoß gegen das höchste Prinzip und beides ist verwerflich. Es ist nicht besser, einen weißen Mann zu töten als einen schwarzen. Wenn wir die Verletzung des Basisdoppelprinzips verurteilen, dann haben wir Rassismus, Extremismus und andere ‚Köpfe‘ an ihrer Wurzel getroffen. Wir brauchen also gar nicht mit Ravanas Köpfen zu kämpfen.“

 

Unterscheidungsvermögen

Harry: „Da ist noch eine offene Frage von vorhin: Wie ist es mit Friedenskämpfern? Sie kämpfen für den Frieden. Das ist dann in Ordnung, oder?“

Yokura: „Der Zweck heiligt die Mittel? Wenn ja, dann öffnen wir wieder die Hintertür für Gewalttaten. Wenn wir angreifende Gewalt bei Friedenskämpfen erlauben, dann machen wir unser höchstes Prinzip ungültig. Dann geht es wieder von vorne los. Wir machen dann mehr und mehr Ausnahmen.

Wir dürfen Gewalt nur dazu benutzen, um uns zu verteidigen und unser Leben zu retten, nicht um anzugreifen!“

Max: „Friedenskämpfer brauchen keine Gewalt zu benutzen, wie Mr. Gandhi gezeigt hat.“

 

Gewaltfreier Friedenskampf

Yokura: „Mahatma Gandhi? Ja, er hatte gesagt, dass nicht ein Haar eines Engländers verletzt werden sollte. Er glaubte an die Yogatugend ‚Ahimsa‘, an Gewaltlosigkeit.“

Harry: „Ja, nicht ein Haar eines Engländers … aber eines Amerikaners!“

Max: „Nein, das hatte Mahatma Gandhi nicht gemeint. Seine Anhänger konnten ihn leider missverstehen. Mr. Gandhis Vorstellung von Gewaltlosigkeit kommt von den fünf Yoga-Geboten oder ‚Yamas‘: Gewaltlosigkeit, Wahrheit, Nicht-stehlen, Keuschheit und Nicht-Gier. Alle fünf Gebote sind gleichwertig im Yoga. Es gibt dort keine Rangordnung der Prinzipien.“

Harry: „Also ein Mann, der körperliche Liebe genießt, wird genauso als Sünder betrachtet wie ein Mörder?“

Ryan: „Ja. Max und ich sind schon gleich zu Anfang darauf gekommen, dass es wichtig ist, auf die Hierarchie der Werte zu achten. Ein Verstoß gegen das Basisdoppelprinzip soll das schlimmste Verbrechen sein.“

Yokura: „Gut, dann können wir jetzt weiter gehen. Anstatt also zu sagen, ‚wir werden nicht ein Haar eines Engländers verletzen‘, sagen wir, ‚wir werden nicht das Basisdoppelprinzip verletzen.‘“

Max: „Ja, wie Anne Oakley in dem Musical ‚Annie Get Your Gun‘ sagte: ‚You Can’t Get a Man with a Gun.‘[28] Aber sollen wir nicht lieber ‚goldene Regel‘ sagen, anstatt ‚Basisdoppelprinzip‘? Ich meine, sollen wir nicht lieber sagen: ‚Wir werden die goldene Regel nicht missachten‘, anstatt ‚wir werden das Basisdoppelprinzip nicht missachten‘?“

Yokura: „Wir haben schon festgestellt, dass das Basisdoppelprinzip die erste Stufe der goldenen Regel ist. Wenn die Amerikaner für ihre individuellen Rechte kämpfen, sind sie ein Vorbild für die anderen Länder der Welt. Sie müssen auch lediglich für die individuellen Rechte kämpfen, denn dadurch werden sie automatisch Frieden bekommen. Es gibt keinen Frieden ohne individuelle Rechte. Am 15. August 1947 hatte Indien die Unabhängigkeit gewonnen. Aber es gab eine solche Schlacht zwischen Indien und Pakistan, dass Gandhi verzweifelt war. Er fastete zum Protest. Die Mordtaten wurden fortgesetzt. Erst als bekannt wurde, dass Gandhi sehr schwach war und unbedingt essen müsse, um zu überleben, hörte der Kampf auf.“

Max: „Das konnte nur ein Mann wie Gandhi tun. Mr. Bush z.B. könnte den Terrorismus nicht durch Fasten beseitigen.“

Yokura: „Deshalb brauchen wir Prinzipien, nicht Persönlichkeiten, die uns führen.“

Menschen sollen durch Prinzipien geleitet werden, nicht durch Persönlichkeiten.

Harry: „Prinzipien können aber auch falsch verstanden werden.“

Ryan: „Deshalb müssen wir sie definieren. Für einen Freiheitskämpfer, der gegen Kolonialismus kämpft, bedeutet Freiheit ‚Freiheit von kolonianischer oder ausländischer Herrschaft‘. Doch man kann auch von den eigenen Leuten versklavt werden. Also brauchen wir eine andere Auslegung für den Begriff ‚Freiheit‘.“

Prinzipien müssen genau definiert werden.

Max: „Ich komme zurück zu Mr. Gandhis Satz ‚Nicht ein Haar eines Engländers verletzen.‘ Wenn dieser Satz ein Teil der Heiligen Schriften wäre, könnten die treuen Anhänger von Mr. Gandhi ihn buchstäblich nehmen. Diese treuen Anhänger oder Fundamentalisten, wie wir sie nennen würden, sind aufrichtige Leute, die, nach Anweisung des Mahatmas, zwar nicht Engländer töten, dafür aber Nicht-Engländer. Und sie werden sich als treue Anhänger des Mahatma betrachten. Wir wissen natürlich in diesem Fall, dass Mahatma Gandhi nie gemeint hatte, dass Nicht-Engländer getötet werden sollen. Höchstwahrscheinlich aber hätte es Sekten gegeben. Eine Sekte hätte gesagt, Engländer seien nur die, die in England geboren sind. Eine andere Sekte hätte gesagt, es sei egal, wo man geboren ist, die Hauptsache sei, dass die Eltern Engländer sind. Eine dritte Sekte hätte gesagt, dass Menschen, die in den englischen Kolonien geboren sind, aber englische Reisepässe haben, keine Engländer seien. Und so wäre es weiter gegangen.“

Yokura: „Und die Sekten hätten unter sich gekämpft. Doch wenn alle sich an das Basisdoppelprinzip halten, wissen wir, dass Mahatma Gandhi sich auch an das Basisdoppelprinzip gehalten hat. Er hatte nie dagegen gesprochen. Dieses Basisdoppelprinzip ist selbstverständlich das höchste Prinzip. Man würde schlussfolgern, dass Mahatma Gandhi dieses Basisdoppelprinzip nur beispielhaft auf Engländer bezogen hatte. Aber die Nicht-Engländer waren nicht davon ausgeschlossen, obwohl sie nicht ausdrücklich erwähnt worden waren.“

Max: „Dadurch wären die Fundamentalisten nicht überzeugt worden. Sie hätten gesagt, ‚Hier steht es ganz deutlich in der Originalsprache – ‚not a hair of an Englishman shall be harmed‘ – ‚nicht ein Haar eines Engländers soll verletzt werden‘. Sie hätten gesagt, dass ihre Sprachwissenschaftler jedes Wort ausführlich übersetzt hätten, und dass es ganz klar sei, dass Mahatma Gandhi nur von Engländern und Engländerinnen gesprochen hatte, denn ‚Englishman‘ bedeutet ‚ein englischer Mann, ein englischer Mensch, ein Engländer, eine Engländerin‘. Und das englische Wort ‚man‘ heißt sowohl ein Mann als auch eine Frau.“

Patrick: „Ha-ha-ha, ich überlege mir gerade, was die Fundamentalisten dann über die Frisöre gedacht hätten!“

Yokura: „Das mag uns lustig erscheinen, solange wir selbst nicht betroffen sind, aber in der Realität können tatsächlich große Ungerechtigkeiten entstehen, wenn Regeln nicht ihrem Geist nach verstanden, sondern buchstäblich genommen werden.“

 

Der Codex der Gewalttäter

Harry: „Mir ist eine wichtige Frage eingefallen. Wenn wir Gewalt mit Gewalt bekämpfen, handeln wir dann nicht genauso wie die Verbrecher?“

Yokura: „Nein, unsere Lösung mit der absoluten Anerkennung des Basisdoppelprinzips basiert auf Liebe. Eine Strafe für den Mörder basiert auf Liebe, denn wenn Mörder inhaftiert werden, ist Liebe und Freiheit für die ethisch lebenden Menschen erst möglich. Wir töten Mörder nicht, doch wir schicken sie ins Gefängnis, damit sie niemandem mehr schaden können. Ohne eine solche Strafe herrscht Angst und Terror. Die Bestrafung der Mörder aber ermöglicht die Liebe. Oder ist es etwa liebevoll, wenn der gute Mensch das Opfer ist? Pazifisten meinen, man folge damit dem Codex der Gewalttäter. Aber der Gewalttäter versucht, Werte durch Gewalt zu gewinnen, während wir Gewalt nur benutzen, um unsere Werte zu verteidigen. Das ist der Unterschied! Und das ist der Grund dafür, warum wir nicht auf das Niveau des Angreifers sinken.“

 

Die Verteidigung des Lebens basiert auf Liebe.

Harry: „Noch etwas anderes, Yokura. Glaubst Du nicht, dass die Missachtung des Basisdoppelprinzips die Ursache für Rassismus, und die Beachtung des Basisdoppelprinzips die Lösung für Rassismus ist?“

Yokura: „Habe ich das gesagt?“

Harry: „Nein, aber man kann diese Auslegung aus Deinen Aussagen schließen.“

Yokura: „Jetzt verstehe ich, wie die Heiligen Schriften missverstanden werden können. Wenn Du hier eine Frage hast, kannst Du mich direkt fragen. Aber wie kann man Jesus fragen, was er mit einer bestimmten Aussage gemeint hatte?“

Ryan: „Ich kann für Dich antworten. Ich habe Dich richtig verstanden. Also Harry, das stimmt – der Rassismus kann durch die Beachtung des Grundprinzips beseitigt werden.“

Harry: „Danke, Ryan. Aber Yokura ist hier. Warum lassen wir nicht sie die Frage beantworten?“

Ryan: „Wie Du willst, aber ihre Antwort wird dieselbe sein …“

 

Immer tiefere Verständnisebenen

Yokura: „Die Antwort hat viele Ebenen. Wenn Du ein Buch zum ersten Mal liest, hast Du ‚alles‘ verstanden, denkst Du. Wenn Du nach einigen Monaten oder Jahren wieder das Buch liest, verstehst Du es besser, tiefer. Wenn das Basisdoppelprinzip überall geachtet wird, wird Rassismus entschärft. Die Harijans könnten dann ihre eigenen Tempel bauen.“

Harry: „Es gibt auch ganz andere Gründe für Rassismus.“

Yokura: „Ja, wir haben Tausende von Gründen. Aber das reicht für den Anfang.“

Harry: „Wie können wir Gewalt reduzieren?“

Yokura: „Durch Lehren des Basisdoppelprinzips.“

Harry: „Ist klar. Könnten wir nicht auch Bücher wie ‚Im Westen nichts Neues‘[29], das die Greueltaten im ersten Weltkrieg beschreibt, dem Volk empfehlen? Das wird die Leute von der Gewalt abschrecken.“

Ryan: „Ich habe eine Einsicht!“

Harry: „Ich bin gespannt.“

Ryan: „Ganz einfach! Deine Lösung, ‚Im Westen nichts Neues‘ und andere Bücher zum Abschrecken zu empfehlen, ist eine Lösung, die auf einer niedrigeren Ebene als das Problem liegt, sie kann die Hauptlösung zwar begleiten, aber sie ist nicht die Hauptlösung, und zwar deshalb, weil sie kein wesentlicher Teil der Lösung ist.“

 

Frieden

Max: „Jeder wünscht sich Weltfrieden. Was kann man für Weltfrieden oder für Weltfreiheit denn noch tun?“

Ryan: „Wenn Du ein Haus bauen willst, kaufst Du dann zuerst das Meissener Porzellan? Nein – Du baust zuerst das Fundament, dann das Erdgeschoss, dann das erste Stockwerk usw. Danach kannst Du Meissener Porzellan kaufen und in Deinen Schrank stellen.“

Max: „Ich rede von Weltfrieden und Du redest von Porzellan!“

Ryan: „Ich finde meinen Vergleich gut! Was kommt zuerst? Wenn Du eine fremde Sprache, z.B. Spanisch, lernen möchtest, fängst Du dann bei Don Quichotte[30] an? Willst Du gleich damit beginnen, Vorträge auf Spanisch zu halten? Oder willst Du mit kleinen Sätzen anfangen, mit dem A-B-C sozusagen? – Sicher fängst Du mit dem A-B-C an! Das A-B-C symbolisiert das Fundament des Hauses.“

Max: „Sehr einleuchtend. Kommt mir aber noch ein wenig Spanisch vor. Was hat es mit Weltfrieden zu tun?“

Ryan: „Wenn Du Mathematik studieren willst, würdest Du dann mit der Differentialrechnung anfangen, oder mit dem Einmaleins? – Sicher mit dem Einmaleins, erst danach studierst Du Geometrie und Algebra.“

Max: „Gut, gut! Und wie kann man durch Mathematik Weltfrieden erlangen? Ich verstehe Dich nicht.“

Ryan: „Genau wie im Fall von Mathematik fangen wir mit dem Einmaleins an und nicht mit der Differentialrechnung. Wenn wir also Weltfrieden wollen, fangen wir klein an, hier in Amerika.“

Max: „Das Beispiel mit Mathematik ist schwer. Nicht alle Leute verstehen Mathematik. Das Beispiel mit der Sprache ist einleuchtender.“

Harry: „Aber ein Spanier versteht dieses Beispiel nicht. Er hatte schließlich nicht mit dem A-B-C angefangen, seine eigene Sprache zu lernen. Also ist das Beispiel mit dem Hausbau am verständlichsten.“

Yokura: „Warum streitet ihr darum, welches das beste Beispiel ist? Alle drei Beispiele weisen auf die gleiche Wahrheit hin.“

Harry: „Wahrheit? Ah! Ich habe eine Minierleuchtung! Wenn unsere Beispiele Religionen darstellten, so würden wir unnötig miteinander gestritten haben …“

Yokura: „Aber was wollt Ihr über Weltfrieden sagen?“

Max: „Wir fangen mit Amerika an. Wir sollten uns nicht in die Angelegenheiten anderer Nationen einmischen, es sei denn, sie bedrohen unsere Sicherheit. Wenn wir ein Vorbild an Frieden und Freiheit sind, werden die anderen Nationen auch Frieden wünschen.“

Ryan: „Prof. Richard Alpert hatte gesagt, wenn wir die Erde mit Leder bedecken wollen, dann ist das Ziel erreicht, wenn jeder Lederschuhe trägt.“

Harry: „Und wenn jeder sich selbst und seine Familie liebt, so ist die ganze Welt voller Liebe. Wir sollen uns zuerst darum bemühen, Frieden in Amerika zu schaffen. Dafür müssen wir Solidarität zeigen.“

Max: „Wir Amerikaner tragen die Stars-und-Stripes-Fahnen doch überall mit uns herum, um unsere Solidarität mit Mr. Bush zu zeigen.“

Yokura: „Es wäre effektiver, wenn es Solidarität für das Basisdoppelprinzip gäbe! Mr. Bush würde dann der größte Präsident in der amerikanischen Geschichte sein.“

 

Waffen

Max: „Es ist also richtig, sein Leben zu verteidigen. Ist es dann auch gut, wenn alle Amerikaner Waffen tragen würden?“

Ryan: „Es hatte Rotkäppchen geholfen!“

Yokura: „Waffen sind nicht die Ursache von Gewalt.“

Patrick: „Was ist dann die Ursache?“

Ryan: „Die Nicht-Anerkennung des Basisdoppelprinzips. Wenn man keine Waffen hat, kann man mit Steinen und Fäusten kämpfen. Vergil sagte: ‚Furor arma ministrat‘ – ‚Der Zorn liefert die Waffen‘. Es gibt viele einsame alte Menschen, die von Räubern ausgeplündert werden. Jede Minute gibt es einen Hauseinbruch. Im Time-Magazin stand ein Bericht darüber. Die Räuber haben eine bestimmte Strategie, die Opfer zu berauben. Ein Räuber klopft an die Tür und fragt den Bewohner, ob er Waffen habe. Der Einwohner sagt ‚Nein‘. Dann sagt der Räuber: ‚Dies ist ein Überfall!‘“

Harry gibt zu bedenken: „Waffen können missbraucht werden.“

Yokura: „Mörder kommen auch dann an Waffen, wenn sie verboten sind. Man braucht z.B. nicht allen Amerikanern Waffen erlauben, sondern nur den gesetzestreuen und verantwortungsvollen Bürgern. Es gibt Missbrauch, weil es nicht bewusst und eindeutig überall anerkannt ist, dass das Basisdoppelprinzip das höchste Prinzip ist.“

 

Die Natur des Menschen

Harry: „Ich frage mich, was wohl die Natur des Menschen ist.“

Yokura: „Ein Mensch ist, wie die Tiere, ein Lebewesen. Der Mensch hat eine spezifische Art und Weise, zu überleben. Sein Überleben ist nicht garantiert. Um seiner Lebenserhaltung zu dienen, braucht er bestimmte Werte: Nahrung, Kleider, Wohnung, Medikamente, Liebe, Wissen, usw. Wilde Pflanzen und Tiere finden die Werte, die sie zum Überleben brauchen, in der Natur vor. Der Mensch aber muss sich die Werte, die er braucht, aus den Gegebenheiten der Natur erst schaffen. Dazu muss er die Natur studieren. In Anwendung ihrer Gesetzmäßigkeiten kann er sich all die Dinge herstellen, die sein Leben sichern.“

Max: „Die es nicht nur sichern, sondern auch angenehm und erfreulich gestalten. Aber mit welchem Mittel gewinnt er diese Überlebenstechnik?“

Ryan: „Mit Vernunft. Vernunft ist für den Menschen das Mittel zum Überleben. Tiere machen instinktiv das Richtige, um zu überleben. Wenn der Mensch Hunger hat, muss er etwas tun, um den Hunger zu stillen. Das Hungergefühl sagt ihm, dass er Essen braucht, es sagt ihm aber nicht, wie er seine Nahrung erlangen kann. Es sagt ihm auch nicht, welche Nahrung gut und welche giftig ist, und das bezieht sich auf alle Werte. Die Tiere finden ihre Werte automatisch. Sie sind schon in der Natur vorbereitet. Entweder fressen sie die Nahrung direkt oder sie kämpfen gegen andere Lebewesen. – Alles, was der Mensch braucht, muss er selbst herstellen oder produzieren.“

Max: „Was ermöglicht es dem Menschen, zu produzieren? Wie kann er wissen, was er produzieren soll? Brot? Mit welchen Mitteln?“

Harry: „Und wie kann er entdecken, welche Materialien ihm die Natur anbietet, was für Eigenschaften sie haben, und was für Gesetze ihr Verhalten bestimmen?“

Ryan: „Also wie kann der Mensch entdecken, welche Ziele er verfolgen soll? Welches Handeln zum Ziel führt? Welches falsche Handeln sein Leben gefährden oder vernichten wird?“

Yokura: „Er braucht, wie Buddha sagte, das richtige Wissen. Wissen ist wichtig für das Überleben des Menschen. Nicht nur Sinneswahrnehmungen. Er braucht Wissen, mit dem er die vergangenen Erfahrungen integrieren kann, so dass er rückwärts blickend lernt. Er braucht Wissen, mit dem er für die Zukunft planen kann, so dass er vorwärts blickend leben kann. Dazu muss der Mensch seinen Denkprozess in Gang setzen. Durch seinen Denkprozess kann er Wissen erlangen. Nur durch richtiges Denken kann er sein Handeln in die richtige Bahn lenken. Jeder besitzt diese Denkfakultät, bzw. diesen Geist. Das heißt allerdings nicht unbedingt, dass jeder ihn benutzt.“

Patrick: „Ich benutze meine grauen Zellen!“

Yokura „Ich wollte niemanden damit angreifen. Ich möchte damit nur sagen, dass die grauen Zellen die Grundwerkzeuge für unser Überleben sind. Um zu überleben, muss der Mensch handeln. Um zu handeln, muss er die Natur und den Zweck seiner Handlungen wissen. Um Nahrung zu bekommen, muss er wissen, was ein Lebensmittel ist und wie er es bekommen kann. Und was unbedingt für sein Überleben notwendig ist! Egal ob er alleine wie Robinson Crusoe[31] lebt oder in einer Gesellschaft, er muss auf jeden Fall seine Denkfakultät benutzen.“

Max: „In der Vergangenheit haben einige Menschen geglaubt, es gebe keinen Körper. Andere hatten behauptet, es gebe keinen Geist. Wer hatte Recht? Beide Seiten glaubten aufrichtig, dass der Geist und der Körper miteinander kämpfen würden, und dass der Mensch sich für eins von beiden entscheiden müsse. Wenn er also den Geist gewählt hat, dann musste er den Körper ablehnen, und wenn er den Körper gewählt hat, dann musste er den Geist ablehnen.“

Ryan: „Demzufolge waren für diejenigen, die den Körper gewählt hatten, alle Gedanken nutzlos. Wissen wurde als intellektuell betrachtet, das unser Handeln nicht leiten könne. Für diejenigen, die den Geist gewählt hatten, waren alle Handlungen ziellos! So etwas kann aber nicht wahr sein.“

Yokura: „Max hat gefragt, wer Recht hat. Aber diese Frage führt dazu, dass wir eine Entscheidung für den einen oder den anderen Bereich treffen müssen. Doch warum sollten der Körper und der Geist miteinander streiten? Geist und Seele sind Aspekte des Bewusstseins: der denkende Aspekt und der spirituelle Aspekt. Die Menschen – und auch die Tiere – haben ein Bewusstsein. Das Bewusstsein ist ein Teil der Natur. Das Bewusstsein nimmt die von den Sinnesorganen offenbarte Welt der Natur wahr. Der Mensch ist eine Ganzheit, eine Einheit, die aus Bewusstsein und Körper besteht. Das Bewusstsein hat die Aufgabe, Wissen zu erlangen und Werte zu definieren. Der Körper hat die Aufgabe, nach dem Werturteil des Bewusstsein zu handeln. Es gibt keinen Konflikt zwischen den beiden. Das Auge sieht, und die Beine gehen in die Richtung oder Gegenrichtung von dem, was es sieht, je nach dem, was das Bewusstsein vorgibt. Es gibt keinen Körper ohne Bewusstsein und kein Bewusstsein ohne Körper.

Das Bewusstsein muss Werte andeuten. Ein Wert ist das Ziel der Tätigkeiten, etwas Wichtiges zu erhalten oder zu bekommen. Die Suche nach Werten ist möglich, wenn es einen Wertesuchenden gibt. Dieser Wertesuchende soll fähig sein, so zu handeln, dass er das Ziel erreichen kann.

Es gibt in bestimmten Situationen die Möglichkeit, verschiedene Ergebnisse zu erzielen. Es besteht also die Wahl unter mehreren Alternativen, doch für jedes Ergebnis muss anders gehandelt werden. Wir sind keine Billardkugeln, die hin und her geschlagen werden, denn in einem solchen Fall wäre es unmöglich, Werte zu suchen. Das Suchen nach Werten ist nur möglich, wenn der Suchende mit einer Alternative konfrontiert wird. Bei dem Gesetz der Gravitation gibt es keine Alternative. Es gibt aber Dinge, für die es Alternativen gibt, bei denen wir durch unsere Handlungen die Ergebnisse bestimmen können.

 

Die Grundalternative des Menschen

Es gibt eine Grundalternative, mit der jeder Mensch konfrontiert ist. Für das Leben oder gegen das Leben zu handeln.

Das Leben ist für die Lebewesen nicht garantiert. Das Leben kann vernichtet werden, d.h. wir Menschen sind sterblich. Auch Max hat vorhin beim Thema ‚Intoleranz‘ von der Einstellung ‚für oder gegen das Leben‘ gesprochen.“

Ryan: „Also soll der Mensch bestimmte Arten von lebensfördernden Tätigkeiten unternehmen, um sein Leben zu erhalten, wenn er die Grundalternative ‚für das Leben‘ wählt. Alle anderen Alternativen hängen von dieser Grundalternative ab. Ohne diese Grundalternative wäre es unmöglich, andere Werte zu suchen.

Max: „Wir müssen handeln, – richtig handeln, – damit unser Leben weiterbesteht.“

 

Werte

Ryan: „Das Konzept des Lebens macht das Konzept von Werten möglich. Also ist Leben die Basis für Werte. Gute Werte sind Werte, die das Leben fördern. Schlechte Werte sind demzufolge Werte, die das Leben bedrohen oder vernichten.“

Yokura: „Und weil Leben der Grundwert ist, ist Liebe ein guter Wert. Liebe ist notwendig. Liebe vernichtet das Leben nicht, sondern achtet, bewahrt und fördert es. Leben ist der Grundwert, aber er ist nicht garantiert. Es gibt kriminelle Elemente in einer Gesellschaft, die das Leben vernichten können.“

Ryan: „In einer Stadt, Mohenjodaro, glaubten alle Menschen an die bedingungslose Liebe.

Wenn ein Mann einen anderen tötete, wurde er liebevoll behandelt, und es wurde ihm verziehen. Mit der Zeit gab es immer mehr Mordüberfälle. Es gab auch Raubüberfälle. Ein Räuber ging in die Universitätsaula hinein und verlangte von den Studenten deren Tintenschreiber. Die Studenten baten ihn, die Tintenschreiber nicht zu nehmen, weil sie für ihr Studium wichtig waren. Der Professor sagte den Studenten: ‚Wir wollen liebevoll sein. Seid so lieb und bietet ihm eure Armbanduhren an, und er wird so liebevoll sein, euch eure Tintenschreiber zu lassen.‘ So taten sie es und gaben dem Räuber ihre Uhren. Eine Woche später kam der Räuber wieder und verlangte von den Studenten deren Fahrräder. Die Studenten handelten mit ihm und boten ihm ihre Mäntel an. Der Räuber war einverstanden und die Studenten waren glücklich. Bald danach kamen andere Räuber und verlangten die Fahrräder.

Die Räuber in der Stadt der bedingungslosen Liebe gingen zu anderen Bürgern, um auch diese zu berauben. Die Bürger hatten früher ihre Türen offen gelassen. Jetzt aber hatten sie Wachhunde in den Wohnungen. Sie hatten Alarmanlagen. Sie hielten ihre Haustüren geschlossen, wenn sie das Haus verlassen mussten. Mord und Raub, jeden Tag in dieser Stadt! Trotzdem glaubten alle fest an die bedingungslose Liebe.

Oft wurden selbst Mörder von anderen Mördern getötet und Räuber von anderen Räubern überfallen. Die Bürger waren voller Angst. Aber einer von den Bürgern, Mr. Eagle, war vernünftig und sagte:

‚Liebe soll den Grundwert ‚Leben‘ fördern. Wir erkennen, dass es in der Realität so ist, dass unser Leben durch unser Verständnis von Liebe nicht gefördert wird. Im Gegenteil! Weil diese Raub- und Mordtaten ungestraft begangen werden können, gibt es immer mehr Verbrechen. Unser Leben ist voller Angst. Von Liebe spüren wir gar nichts. Wir reden nur über Liebe. Ich schlage vor, dass wir es ernst nehmen, das Leben als Grundwert anzunehmen. Wenn dieser Grundwert verletzt wird, müssen wir den Täter bestrafen. Liebe soll uns schützen. Lasst uns die Missetäter bestrafen und aus unserer Stadt ausweisen. Nur dann kann wirkliche Liebe bei uns herrschen.‘ – Von da an gab es in Mohenjodaro nur noch Liebe und Sicherheit.“

Yokura: „Um Liebe richtig zu erleben, müssen wir damit beginnen, nach dem Basisdoppelprinzip ‚Nicht-töten und Nicht-der-Erste-sein,-der-Gewalt-anwendet‘ zu leben. Mr. Eagle hatte in Mohenjodaro Liebe und Sicherheit ermöglicht.“

Max: „Unser Grundwert ist ‚Leben‘. Liebe und richtiges Denken fördern das Leben. Unser moralischer Code, um ‚Leben‘ zu fördern, soll auf Vernunft basieren. Ist dieser Code aber von Gott gewollt?“

Yokura: „Ich bin nicht Gottes Sekretärin. Aber Er hat uns das Leben geschenkt, demzufolge kann Er nicht gegen das Leben sein. Sicher aber ist, dass wir, wenn wir das Leben der Menschen, die Gott geschaffen hat, achten, wir automatisch auch Gott achten.“

 

Gefühle

Ryan: „Einige Menschen handeln nach ihren Gefühlen. Gefühle sind wichtig. Manche Menschen aber sind Spontis. Soll man sich nun einen moralischen Code zulegen, der sich auf Gefühle gründet? Dann gäbe es keinen objektiven Maßstab, nach dem wir uns richten könnten. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich stehlen will, soll ich dann stehlen? Oder wenn ich das Gefühl habe, destruktiv sein zu wollen, soll ich dann destruktiv sein? Wenn man nach dem Gefühlscode geht, ist der Grundwert nicht das Leben, sondern das Gefühl. Wie gesagt sind Gefühle wichtig, doch sie sollen dem Basisdoppelprinzip untergeordnet sein, genauso wie alle Werte.“

 

Lebensfördernder Extremismus

Yokura: „Du glaubst fest an dieses Prinzip. Du bist ein Extremist. Aber ein Extremist, der für das Leben ist. Dein Extremismus führt nicht zu Gewalt, weil Du daran festhältst, nicht zu töten! Das heißt, Dein Extremismus ist lebensfördernd!

Ryan: „Wenn Leben der Grundwert ist, dann habe ich das Recht auf mein Leben. Jedes Individuum hat das Recht auf Leben. Das ist ein Ausdruck von Liebe. Wie ich selbst nicht getötet werden möchte, so töte ich auch andere nicht.

 

‚Alles nun, was immer ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut ihr ihnen auch‘“[32]

 

Leben - Freiheit - Frieden

Yokura: „Das Recht auf Leben bedeutet, das Recht zu haben, sein eigenes Leben zu erhalten und zu schützen. Um sein Leben zu schützen, muss der Mensch seine Gedanken benutzen, um Wissen zu erlangen und Werte zu wählen. Dafür brauchen wir das Recht auf Freiheit. Der Mensch muss frei sein, zu denken und entsprechend zu handeln, vorausgesetzt, er verletzt die Rechte anderer nicht.“

Ryan: „Mahatma Gandhi sagte, dass Freiheit ein großer Wert sei. Freiheit von Aggression durch ausländische Länder ist Frieden. Warum ist Frieden ein Wert? Mahatma Gandhi sagte, weil Freiheit von Zwang durch die eigene Regierung ein Wert ist. Wenn wir ein Recht haben, frei von Zwang durch die eigene Regierung zu sein, sagte Mahatma Gandhi, haben wir demzufolge das Recht, frei von Aggression durch ausländische Regierungen zu sein.“

Yokura: „Wenn wir Frieden auf Erden wollen, sollen wir Freiheit haben. Denn Freiheit ist die Basis von Frieden.“

Max: „Also ist Weltfrieden möglich, wenn wir Weltfreiheit haben. Solange es Diktatoren gibt, wie im Dritten Reich, die das Recht auf Leben der Bürger nicht anerkennen, die den Bürgern das ‚Recht zu denken‘ nicht geben, die den Bürgern das ‚Recht auf Freiheit zu denken und danach zu handeln‘ nicht geben, die Gewalt an ihren eigenen Bürgern verüben, wird es nur ein kleiner Schritt sein, Gewalt auf andere Nationen auszuüben. Macht ohne Recht ist Diktatur.“

Patrick: „Wie steht es mit der UNO[33]?“

Yokura: „Hat uns nicht geholfen! Es gab über 260 Kriege seit 1948. Wir brauchen lediglich die Prinzipien der Freiheit anzuerkennen. Freiheit von Gewalt gegen eigene Bürger! Wir hatten Hitler ohne die UNO beseitigt. Um Frieden zu gewährleisten, muss das Recht auf Leben anerkannt werden. Individuelle Rechte können von diesem Recht abgeleitet werden. Individuelle Rechte setzen wiederum Freiheit voraus. Frieden ist eine Ableitung von Freiheit.“

 

Strafe

Patrick: „Wie hätte denn Osama bin Laden[34] bestraft werden sollen, wenn er gefangen wurde?“

Yokura: „Das müssen die Richter entscheiden. Ich bin keine Richterin. Ich kann Euch nur sagen, was Nikodemus im Neuen Testament sagte:

Richtet unser Gesetz auch einen Menschen, ehe man ihn verhört und erkannt hat, was er tut?[35]‘“

 

Harry: „Wir haben so viel besprochen. Aber ich glaube trotzdem, dass das Basisdoppelprinzip bereits überall anerkannt ist.“

Max: „Ich glaube es nicht, zumindest ist es nicht bewusst anerkannt. Patrick hat doch heute eine Klausur über den ‚Fürst‘ von Machiavelli geschrieben.“

 

Vorbilder

Patrick: „Und?“

Max: „Das Buch empfiehlt Mord! Die Terroristen kommen nach Amerika und lernen u.a. den ‚Fürst‘ kennen. Kein Mensch in der Welt empfindet das Buch als einen Verstoß gegen das Basisdoppelprinzip. Die Diktatoren lieben es.“

Ryan: „Gewalt gibt es auch in den Schulen. Auf diese Weise können Kinder das Basisdoppelprinzip nie lernen. Sie werden sogar oft von Erwachsenen dazu ermutigt, nach ihren Gefühlen zu handeln, wobei der Begriff ‚Gefühle‘ in keiner Weise differenziert wird! Viele Erwachsene sagen zu den Kindern: ‚Handle aus dem Bauch heraus.‘ Was aber, wenn der Bauch sagt: ‚Schlag zu!‘?“

Max: „Genau! Deshalb soll das Basisdoppelprinzip bereits den Kindern gelehrt werden. Von Eltern und Schulen! Und in der ganzen Welt!“

 

Rechte für einzelne Gesellschaftsgruppen

Harry: „Eine Frage noch: Wie ist es mit Frauenrechten, Bauernrechten, Schriftstellerrechten, Behindertenrechten und anderen Rechten für bestimmte Gesellschaftsgruppen?“

Yokura: „Frauen sind Individuen. Bauern sind Individuen. Schriftsteller sind Individuen. Behinderte sind Individuen. Wenn individuelle Rechte anerkannt sind, wenn jeder das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit (‚Life, Liberty and the Pursuit of Happiness[36]‘) hat, wie es in der amerikanischen Verfassung garantiert wird, brauchen einzelne Gesellschaftsgruppen nicht um ihre Rechte zu kämpfen. In einer unfreien Gesellschaft, in einer Diktatur, sind sowohl Männer als auch Frauen unfrei.“

Harry: „Wir müssen also lediglich für unsere individuellen Rechte kämpfen.“

Ryan: „Ich fasse es jetzt noch einmal zusammen:

Das Basisdoppelprinzip ist das Recht auf Leben und auf den Schutz meines Lebens.

Das Leben wiederum ist die Voraussetzung für die individuellen Rechte.

Die individuellen Rechte garantieren die Freiheit,

und Freiheit ist die Voraussetzung für Frieden.“

 

Yokura: „So ist es gut. – Leider muss ich jetzt gehen, weil ich morgen zurück in meine Heimat fliege. Ich danke Euch sehr für die Einladung, es war schön, Euch kennen zu lernen und mit Euch über so wesentliche Sachen zu diskutieren. Lasst uns in Kontakt bleiben, ja?“

Max, Ryan, Harry und Patrick: „Klar, gerne!“

Harry: „Mich würde es immer noch interessieren, was in unserem Beispiel die zehn Köpfe des Ravana sind: Lasst uns doch noch einmal diejenigen aufzählen, die wir entdeckt haben: Lebensverachtender Extremismus, lebensverachtender Radikalismus, lebensverachtender Fanatismus, lebensverachtender Fundamentalismus … das sind vier.“

Ryan: „… Diktatur, Rassismus … das sind sechs.“

Max: „Gewalt in den Schulen, Überfälle, lebensverachtende Intoleranz … das sind neun.“

Harry: „Es fehlt noch einer …ich muss noch einen haben!“

Ryan: „Komm, sei kein Fundamentalist! Wir müssen nicht unbedingt zehn Köpfe haben. Zehn Köpfe sind nur ein Beispiel für die Tatsache, dass es viele Formen der Gewalttätigkeit gibt. Weniger oder mehr als zehn ist nicht wichtig.“

Harrys Schwester, die 16-jährige Jessica, kommt herein.

Ryan: „Hallo Jessica! Wir reden gerade über Terrorismus. Also …. es ist ganz wichtig, das Basisdoppelprinzip bewusst anzuerkennen ….“

Harry: „Ja-ja-ja, aber ich muss trotzdem zehn Köpfe haben!“

Jessica: „Was meinst Du damit?“

Harry erklärt in Kurzform, was bisher besprochen worden war und sagte dann: „Wir haben neun Köpfe, der zehnte Kopf fehlt noch.“

Jessica: „Der zehnte Kopf? Ich weiß, welcher das ist!“

Harry: „Wirklich? Sag es uns. Und anschließend machen wir uns einen schönen Abend und gehen Tango tanzen!“

Jessica: „Es ist so einfach. Ich sage nur, er fängt mit ‚T‘ an!“

Harry: „Tango?“

Max: „Wie könnte das sein!“

Harry: „Ich weiß, aber ich mache Brainstorming. Das Wort kommt manchmal plötzlich. Tango – tanzen – nein!“

Patrick: „Tee – nein. Theater – nein.“

Harry: „Wir geben auf. Sei so lieb und sag uns das Wort!“

Jessica: „Terrorismus ist der zehnte Kopf!“

Harry: „Natürlich. So einfach ist das!“

Max: „Gut. Eine letzte Frage: Ist es nicht doch naiv zu glauben, das Basisdoppelprinzip würde die zehn Köpfe beseitigen?“

Yokura: „Die Tausendmeilenreise beginnt mit dem ersten Schritt. Und auch am Ende der Reise wird der erste Schritt immer der Wichtigste bleiben, wie auch das Einmaleins immer die Basis der hohen Mathematik und das A-B-C die Basis der Sprache sein wird. Ohne Fundament bricht das schönste Haus zusammen. Ich danke Euch noch einmal. Es war interessant mit Euch.“

Die Tausendmeilenreise beginnt mit dem ersten Schritt.

 


[1] Von Mohammed zw. 622 und 632 in Medina gestiftete monotheistische Weltreligion, heute (2002) weltweit über 1,1 Mrd. Anhänger, die Muslime genannt werden.

[2]Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, im Jahr 2001von Papst Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt.

[3] Hans Küng, schweizer. kath. Theologe, geb. 1928, griff u.a. die Unfehlbarkeit des Papstes an, widmet sich seit 1990 dem Projekt Weltethos.

[4] neben dem Mahabharata das 2. große Sanskritepos der Inder, vollendet wohl im 2. Jh. n. Chr.

[5] Niccolo Machiavelli, ital. Staatsmann, geb. 1469, gest. 1527. Sein Buch ‚Der Fürst‘ galt seinen Gegnern als Rechtfertigung des von allen sittlichen Normen losgelösten Machtstaats. Friedrich der Große verfasste dagegen seinen ‚Antimachiavell‘ (1739).

[6] Johannes Kepler: dt. Astronom des 16./17. Jh., gab als Erster eine dynam. Erklärung der Planetenbewegung, indem er davon ausging, dass die Planetenbewegungen durch eine von der Sonne ausgehende Kraft verursacht werden.

[7] Galileo Galilei: italien. Mathematiker, Physiker und Philosoph des 16./17. Jh., trat öffentlich für das heliozentrische Weltsystem des Kopernikus ein, kam in Konflikt mit der röm. kath. Kirche.

[8] „Wir halten es für selbstverständliche Wahrheiten, dass alle Menschen gleich geschaffen wurden, dass sie alle von ihrem Schöpfer mit gewissen unabdingbaren Rechten ausgestattet wurden wie Leben, Freiheit und das Streben nach Glück …“ – Auszug aus der amerikanischen Verfassung von 1776.

[9] Adolf Hitler, errichtete Anfang des 20. Jh. in Deutschland ein auf Rassen- und Machtideologie fußendes terroristisches Herrschaftssystem, hob die Freiheits- und Menschenrechte auf, löste mit dem Angriff auf Polen den 2. Weltkrieg aus, ließ Millionen Juden, Sinti und Roma in Konzentrationslagern ermorden.

[10] George Herbert Walker Bush, 41. Präsident der USA (1989-1993)

[11] Mohandas Karamchand Gandhi, Rechtsanwalt, Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung Anfang des 20. Jh.

[12] George W. Bush, 43. Präsident der USA (2001-?)

[13] lat: Die Liebe besiegt alles.

[14] frz., sprich: bäseh. Klebrig-süße Masse aus Zucker und Eiweiß, nach dem Backen sehr zerbrechlich

[15] Ronald Wilson Reagan, 40. Präsident der USA (1981-1989)

[16] Ajatollah Khomeini, Originalname: Ruhollah Ibn Mustafa Musawi Khomeini Hindi, geb. 1902, gest. 1989, iranischer religiöser Führer und Politiker.

[17] falsche zeitliche Einordnung

[18] Pedro de Souza: ‚Happy Life!‘ Weisheiten der Lebensbejahung, Verlag May

[19]Mt 22,39

[20] Lewis Carroll, Alice im Wunderland

[21] Psychoterror am Arbeitsplatz

[22] eigentl. Agnes Gonxha Bojaxhio, ind. Ordensgründerin alban. Herkunft, geb. 1910, gest. 1997, widmete sich seit 1946 der Armenpflege in Indien, gründete in Kalkutta 1950 den Orden ‚Missionarinnen der Liebe‘, erhielt 1979 den Friedensnobelpreis.

[23] Giacomo Girolamo Casanova, italien. Gelehrter (Jura, Theologie), Schriftsteller und Abenteurer des 16. Jh., verkörpert den Typus des Verführers.

[24] August Kekule von Stradonitz, dt. Chemiker, geb. 1829, gest. 1896; wurde durch seine Hypothese über den Aufbau des Benzols (Benzolring) einer der Begründer der neuzeitl. organ. Chemie.

[25] Ind. Dichter, lebte um 400 n. Chr., gilt als Klassiker der ind. Literatur

[26] andere Bez. für Kastensystem, eine Kaste ist ein abgeschlossener erbl. Stand. In Indien ist das Kastensystem die Grundlage der gesellschaftlichen Ordnung mit vier Hauptkasten und rd. 3000 Nebenkasten. Kastengeist – Absonderung bes. Gesellschaftsschichten.

[27] höchste Kaste in Indien

[28] engl. ‚Du kannst einen Mann nicht mit einem Gewehr erobern‘.

[29] von Erich Maria Remarque

[30] Don Quichotte, der ‚Ritter von der traurigen Gestalt‘, Held des Romans von Cervantes (1615), Sinnbild eines die Wirklichkeit verkennenden, in einer fantastischen Eigenwelt eingesponnenen Schwärmers.

[31] Titelheld eines Romans von Daniel Defoe (1719/1720), der die Erlebnisse eines Schiffbrüchigen auf einer einsamen Insel schildert.

[32] Mt 7,12

[33] Abk. für United Nations Organization, die Vereinten Nationen. Staatenverbindung mit internat. Rechtspersönlichkeit, Hauptsitz: New York, daneben Genf und Wien. 188 Mitgliedsstaaten (im Jahr 1999). Zweck ist u.a. die Wahrung des Weltfriedens durch kollektive Maßnahmen gegen Friedensbedrohungen und Angriffshandlungen sowie durch Schlichtung internat. Streitigkeiten.

[34] geb. ca. 1955 in Saudi-Arabien. Anstifter und Unterstützer der Massenmorde des 11. September 2001 in New York und Washington. Derzeit (2002) meist gesuchter Terrorist.

[35] Joh 7,51

[36] Thomas Jefferson in der US-Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776. Jefferson wurde später 3. Präsident der USA (1801-1809)