Pedro de Souza

Was ist die Natur des Menschen?
Was sind seine Grundeigenschaften?
Beherbergt der Körper eine Seele, die Sehnsucht nach Gott hat?
Sind wir Einzelwesen oder nur als Teil einer Gruppe oder Gesellschaft zu verstehen?
Hat Gott uns in eine feindliche Welt gesetzt?
Soll der Mensch der Meister seiner Welt sein?
Wie kann er das sein?

Ist der Mensch ein rationales oder ein irrationales Wesen?

1. Der Mensch ist ein Lebewesen mit einer bestimmten Natur.

Er hat eine ganz bestimmte Natur, eine spezifische Identität. Diese beinhaltet, wie bei allen Lebewesen, eine spezifische Art und Weise, zu überleben. Auf welche Art überlebt der Mensch auf diesem Planeten?

Sein Leben ist von vielen Bedürfnissen/Werten abhängig, die er braucht, weil sie seiner Lebenserhaltung dienen. Er braucht sie, wenn er nicht sterben will.

Aber der Mensch findet seine Mittel zum Überleben nicht wie das Tier in der Natur vor, sie fallen auch nicht durch irrationales Wünschen vom Himmel, sondern er muss sie sich selbst aus den Gegebenheiten seiner Umwelt schaffen. Dazu muss er die Tatsachen der Realität studieren. In Anwendung ihrer Gesetzmäßigkeiten kann er sich all die Dinge herstellen, die sein Leben nicht nur sichern, sondern es auch angenehm und erfreulich gestalten. Das Mittel, mit dem diese Überlebenstechnik und Lebensgestaltung gewonnen wird, ist die Vernunft.

2. Vernunft ist für den Menschen das Mittel zum Überleben

Der Mensch ist auf Tätigkeit angewiesen. Diese Tätigkeit muss sinnvoll sein, da sie dem Ziel der Lebenserhaltung dienen muss. Deshalb muss sein Handeln rational sein, es muss von der Vernunft gesteuert werden. Es geht nicht um sinnlose Beschäftigung und planlosen Zeitvertreib, sondern um zielgerichtete Lebenserhaltung.

Tiere machen instinktiv das Richtige, um zu überleben. Der Mensch muss dazu seine Vernunft benutzen. Wenn wir Hunger haben und gelernt haben, diese Empfindung als Hunger zu identifizieren, müssen wir etwas Sinnvolles tun, um den Hunger zu stillen. Die notwendige Handlung wird von der Vernunft gelenkt. Was wir brauchen, finden wir nicht auf der Straße oder in der Natur, wie die Tiere. Der Mensch muss sich seine Mittel zum Leben selbst produzieren.

Woher weiß er, wie man das macht? Woher weiß er, wie die Gegebenheiten der Realität behandelt werden müssen, damit sie den Überlebenszweck erfüllen? Der Mensch muss bei all seinen Handlungen seine Vernunft benutzen. Sie dient dem Ziel, zu überleben.

Gott hat uns das Leben geschenkt, das Überleben aber nicht. Dazu hat er uns einen Geist gegeben. Für dessen Inhalt aber muss jeder selbst sorgen.

3. Die Betätigung der Vernunft ist ein Akt des Individuums

Es ist das Einzelwesen, das die Tatsachen erkennen, sie identifizieren und integrieren muss. Erkennen, schlussfolgern und Konzepte bilden sind Tätigkeiten, die jeder Mensch nur für sich vollziehen kann, genau wie essen und schlafen.

Man kann auch von Weisen lernen, aber alle Lernprodukte sind Endprodukte von Gedanken anderer, die man sich nur aneignen kann, indem man selbst ihren Werdegang nachvollzieht und integriert. Das ist ein ganz und gar individueller Akt.

Auch wenn bei einem größeren Projekt mehrere Menschen zusammenarbeiten, muss doch jeder Mitarbeiter seinen Bereich der Arbeit selbst begreifen und durch eigenes Denken weiterführen.

So ist auch der Einwand hinfällig, der Mensch könne nur in der Gesellschaft durch komplizierte Arbeitsteilung überleben. Genau betrachtet erkennt man schnell, dass auch hier das Überleben von der sinnvollen, vernünftigen Handlung abhängig ist, und diese ist individuell.

Denken ist ein individueller Prozess.

Der Mensch kann allein in der Wildnis überleben. Aber es ist praktischer und angenehmer, in einer Gesellschaft durch Arbeitssteilung das Überleben zu sichern. Es ist beim Menschen eine freiwillige Lebensgemeinschaft und keine naturnotwendige wie zum Beispiel bei Ameisen, die als Individuen nicht überleben können.

3. Das Verhältnis zwischen Geist und Körper oder Bewusstsein und Materie

Die menschliche Natur ist geprägt von einem bestimmten Verhältnis zwischen Geist und Körper oder Bewusstsein und Materie.

Wissen und Bewusstsein braucht der Mensch nicht zur Kommunikation mit seinen Artgenossen, sondern um mit der Realität zurechtzukommen und Werte zum Überleben zu produzieren. Das Wissen hilft ihm, zu handeln. Seine Tätigkeiten müssen rational sein, sonst erfüllen sie den Zweck der Lebenssicherung nicht. Vernunft ist dazu das unabdingbare Mitttel.

Sind Geist und Körper zwei getrennt agierende Teile im Menschen?

Seit Plato gibt es den folgenschweren Irrtum in unserem Menschenbild, dass es einen Widerspruch, ja einen Krieg gäbe zwischen Körper und Geist. Dies ist eine falsche Dualität. Sie hat den Menschen zu einer falschen Wahl herausgefordert: Sich selbst entweder als ein geistiges Wesen zu sehen, dessen Körper minderwertig und unrein und deswegen zu vernachlässigen ist oder als einen rein materiellen Körper, der durch innere Sekretion Gedanken hervorbringt, die vollkommen beliebig und willkürlich sind. In beiden Fällen wird die Vernunft, die Realität abgelehnt. Das ist falsch.

Der Körper ist eine harmonische Einheit aus Materie und Geist, denn der Körper ohne Geist ist eine Leiche, und der Geist ohne Körper ist ein Spuk.

Durch die dualistische Aufspaltung des Menschen ergeben ich weitergehende Konflikte, z.B. zwischen Mann und Frau, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Theorie und Praxis, Wirklichkeit und Ideal, Materie und Gott.

Aber Körper und Geist bedingen einander. Ohne Geist hätte der Körper keine Impulse zum Handeln. Ohne Körper könnten Ideen nicht verwirklicht werden. Das Bewusstsein sorgt für Aufmerksamkeit, und der Körper wird dadurch gelenkt. Es besteht eine Harmonie zwischen Körper und Bewusstsein und kein Krieg.

Wir denken einmal konsequent durch, was passieren würde, wenn wir nur einen Teil wählen, z.B. das Bewusstsein. Den materiellen Teil des Menschen lehnen wir ab. Dann gäbe es keine Tätigkeiten und Handlungen. Der Idealist würde in einem nicht materialistischen Zimmer sitzen. Er könnte nichts tun, nicht einmal beten. Er könnte auch nicht träumen, weil sich Träume auf Handlungen der Realität beziehen.

Das andere Extrem ist auch nicht denkbar: Der Mensch nur als Körper ohne Geist. Dann gäbe es nichts, das Handlungen initiieren könnte. Es gäbe kein Bewusstsein, das dem Körper die Impulse zum Handeln geben würde.

Körper und Bewusstsein benötigen sich gegenseitig zum Leben auf der Erde. Jedes Teil allein genommen bedeutet letztendlich Tod.

Trotzdem wird der Zwiespalt aufrecht erhalten, z.B. bei dem Konflikt Theorie-Praxis. Eine Theorie ist eine Identifikation von Tatsachen der Realität, die uns als Handlungsrichtlinie dient. Eine Theorie ohne Realitätsgrundlage versagt in der Praxis. Sie ist deshalb nicht brauchbar. Eine richtige Theorie integriert die Realität zu einer sich nicht widersprechenden Ganzheit. Praktisch angewendet funktioniert sie reibungslos.

Bei komplizierten Zusammenhängen (bspw in der Wirtschaft) muss man die Realität zunächst vereinfachen, um sie in einer Theorie fassen zu können. Entsprechen die daraus gezogenen Schlussfolgerungen der Realität, so ist die Theorie brauchbar, ist das nicht der Fall, so muss die Theorie abgewandelt und verfeinert oder ganz aufgegeben werden.

Oft lässt sich schwer erkennen, ob der Kadaver da ist, weil es Aasgeier gibt, oder ob die Aasgeier wegen des Kadavers da sind. Entsteht die Krankheit, weil so viele Bakterien da sind, oder sind die Bakterien da, weil der Körper krank ist, weil in ihm zu viele tote Zellen vagabundieren, die den Bakterien als Nahrung und Grundlage zur Vermehrung dienen? In beiden Fällen gibt es die Symptome Krankheit und Bakterien. Wer bedingt wen? Welche Theorie entspricht den Tatsachen der Realität? Nur die Realität kann Auskunft darüber geben.

Wenn sich eine Theorie als falsch erwiesen hat, ersetzen wir sie oft durch weitere falsche Theorien, weil wir nicht wissen, wo die Wahrheit zu finden ist. Eine falsche Theorie widerspricht der Realität. Und Gott ist die Realität. Aber statt Wahrheit haben wir einen Irrtum oder einen willkürlichen Wunsch. Man muss nicht (wie bei Buddha) alle Wünsche abschalten, sondern man muss die Realität erforschen, man muss Wünsche auf der Basis der Realität haben und keine willkürlichen Wünsche. Die Realität kann erforscht werden mittels des Verstandes.

5. Das Verhältnis zwischen "Kopf und Herz" - Vernunft und Gefühl

Eine weitere Tatsache der menschlichen Natur ist ein bestimmtes Verhältnis zwischen Kopf und Herz, Vernunft und Gefühl. Hier gibt es Missverständnisse. Die Auffassung vom dualistischen Zwiespalt im Menschen hat zu der Behauptung geführt, der Mensch könne nicht ausschließlich durch die Vernunft leben, weil die Gefühle unabhängig von Vernunft entstehen und deshalb durch sie nicht steuerbar seien.

Diese Auffassung ist falsch. Gefühle sind von Gedanken abgeleitet. Es gibt keinen Zwiespalt zwischen Kopf und Herz.

Kommt es in der Praxis zu einem solchen Konflikt und man hat keine Zeit zum Nachdenken, dann ist es richtig, der Vernunft zu folgen. Später untersucht man dann, woher der Konflikt kam, welche Werte dahinter steckten und was vernünftigerweise geändert werden muss.

Auf welche Weise sind Gefühle mit der Vernunft verbunden? Gefühle sind der Ausdruck unserer Werte, und Werte entstehen durch Denken.

Auf welche Weise wirkt die Wertung bei unseren Gefühlen mit?

Gefühle entstehen nicht plötzlich, sondern in vier Schritten:

  1. Wir nehmen etwas durch die Sinnesorgane wahr.
  2. Der Gegenstand wird identifiziert (Seil oder Schlange?)
  3. Je nach Identifikation wird die Wertung aus dem Speicher im Bewusstsein blitzschnell geliefert. Bis hierher ist Kontrolle möglich.
  4. Eine unkontrollierbare und automatische Reaktion auf die Wertung ist die Emotion. Man kann nichts dagegen tun, so lange eine falsche Wertung zugrunde liegt.

Psychologische Probleme beruhen darauf, dass die Realität nicht richtig  beurteilt und bewertet wird. Wenn man glaubt, Tiger seien niedliche Katzen, die man hinter dem Ohr kraulen kann, dann hat man die Realität falsch eingeschätzt und darf sich über die Auswirkungen nicht wundern. Oft allerdings werden kleine Katzen für wilde Tiger gehalten, dann nämlich, wenn negative Erfahrungen von vornherein ohne rationale Begründung auf andere Situationen übertragen werden. Angst ist eine positive Reaktion zum Schutz für das Leben. Aber sie darf nicht zu einer bestimmenden Haltung dem Leben gegenüber werden.

Psychologische Probleme können aufgelöst werden, indem man die falsche Bewertung der Realität korrigiert und sie durch eine richtige Bewertung ersetzt. Dadurch ändern sich dann automatisch auch die störenden und belastenden Gefühle.

Wie findet man zu einer richtigen Beurteilung der Realität? Sechs Schritte sind dazu erforderlich:

  1. Durch Innenschau die eigenen Gefühle identifizieren.
  2. Jedem Gefühl kann ein allgemeiner Grund zugeordnet werden (z.B. entsteht Traurigkeit immer durch wirklichen oder vermeintlichen Verlust. Wut entsteht durch ungerechte Behandlung, u.a.)
  3. Den individuellen Anlass feststellen, der zu dem Gefühl geführt hat
  4. Frage: Ist die Emotion gerechtfertigt? Diese Frage kann man oft nicht alleine beantworten, weil man sich selbst nicht objektiv genug gegenüberstehen kann. Deshalb braucht man hier oft Hilfe.
  5. Welche Werte, d.h. welches Weltbild hat zu den störenden Gefühlen geführt?
  6. Das Weltbild kann dann an dem betreffenden Punkt korrigiert werden
Zusammenfassung:
  • Der Mensch ist ein Lebewesen mit einer ganz bestimmten Eigenart
  • Er lebt in einem Universum mit einer ganz bestimmten Natur
  • Er muss seine Vernunft in einer bestimmten Art und Weise benutzen (Logik), um die Realität des Universums richtig zu erkennen und durch sinnvolles Handeln darin zu überleben.