Pedro de Souza

Werte werden durch Kunst konkretisiert. Werte werden durch Kunst auf die Stufe der Wahrnehmung gebracht.

Ein rationaler wie auch ein irrationaler Mensch erleben beide die für sie jeweils ideale Welt durch Kunst. Die Wirkung aber ist unterschiedlich:

Der rationale Mensch wird ermuntert, weiter produktiv an der Verwirklichung seiner Werte zu arbeiten.

Der irrationale Mensch hingegen erlebt in seiner Kunst die Projektion seines irrationalen Weltbildes, das er als Rechtfertigung dafür benutzt, den Kampf um Werte gar nicht erst aufzunehmen, weil man sie doch nie erreichen kann, wie er meint. Er glaubt, dass Angst, Schmerz, Versagen und Schuld dem Menschen vorbestimmt und unausweichlich seien und man nichts dagegen machen könne.

Die Kunst vermittelt dem irrationalen Menschen das Gefühl des Hasses auf die Existenz, weil sie zeigt, dass das Böse in ihr mächtig ist. Diese Auffassung verwirklicht er, indem er sich an erfolgreichen Menschen rächt und ihre guten menschlichen Werte zu vernichten sucht. In dieser Haltung und diesem Tun findet er sich durch die irrationale Kunst bestärkt.

Zwei Elemente bestimmen die Form des Kunstwerkes:

  1. Thema
  2. Stil

Das Thema zeigt die Metaphysik des Künstlers, der Stil zeigt, wie der Künstler denkt und welches sein persönliches Weltbildgefühl ist.

Zum Thema: Der Künstler stellt dar, welchen Platz der Mensch nach seiner Meinung im Universum hat. Hierfür gibt es drei Möglichkeiten:

1. Der Künstler zeigt Heldenfiguren, die die höchsten Möglichkeiten der menschlichen Natur reflektieren. Victor Hugo und Ayn Rand z.B. stellen die Erhebung und den Triumpf der menschlichen Natur dar, Michelangelo zeigt die Helden im Kampf, Shakespeare zeigt ihr Versagen.

2. Der Künstler kann gewöhnliche Menschen darstellen mit gewöhnlichen Alltagsproblemen wie bei Tolstoi oder Sinclair Lewis in „Babbitt“.

3. Der Künstler zeigt den Menschen als ein niedriges, verzagtes, verlorenes und dreckiges Wesen, wie z.B. in Emil Zola’s „Nana“.

Zum Stil: Darüber lässt sich schwer reden. … Es ist der charakteristische Ausführungsmodus, wie der Künstler das Thema realisiert. Der Stil zeigt, wie der Künstler denkt. Wenn der Künstler gut fokussiert ist, schafft er einen klaren und exakten Stil, der einen Sinn und eine klare Identifikation vermittelt. Er zeigt einen Bewusstseinszustand, in dem A=A ist. Alles ist unserem Bewusstsein zugänglich, das Bewusstsein muss nur immer ‚eingeschaltet‘ und fokussiert sein.

Ein Künstler, der nicht klar und bewusst ist, hat einen unklaren wolkigen Stil mit fließenden Übergängen. In der Literatur zeigt sich ein solcher Stil durch unklare Benutzung der Wortbedeutungen. In der bildenden Kunst fliegen die Gegenstände ohne Gewicht im Bildraum. Es wird ein Universum gezeigt, in dem A nicht A ist. Über nichts kann man hier gewiss sein und nichts wird hierbei vom Bewusstsein verlangt.

Stil ist ein sehr komplexes Element der Kunst. Er enthüllt das Weltbild des Künstlers ganz deutlich, seine inneren Konflikte usw. Dabei werden Widersprüche offensichtlich, wie z.B. bei Salvadore Dali: Er kann klar denken, wählt aber irrationale Themen, d.h. er hat eine üble Metaphysik. Abgeschwächt tritt der Widerspruch bei Vermeer auf: Er verbindet das klare Denken mit Naturalismus.

Am anderen Pol gibt es absichtliche Verzerrung der Realität als Rebellion gegen das Bewusstsein. Der Kubismus z.B. versucht, die Realität zu zerstören Er zeigt Objekte, wie man sie nicht mit den Sinnesorganen wahrnehmen kann.

Stil kann Vernunft oder leidenschaftliche Emotionen zeigen (Victor Hugo) oder Chaos wie bei Thomas Wolf. Der Stil ist ein Ausdruck dessen, wie der Künstler mental agiert.

So ist Stil ein wichtiges Element in der Kunst. Er ist eine tief persönliche Sache und zwar nicht nur für den Künstler, sondern auch für den Kunstgenießer.

Obwohl das Weltbild des Künstlers die Grundlage für die Kunst ist, kann es aber doch nicht als Maßstab für ein ästhetisches Urteil genommen werden: denn Gefühle sind kein objektives Erkenntnismittel. Die Tatsache, dass ein Mensch mit der Metaphysik des Künstlers einverstanden ist oder nicht, ist unbedeutend für die ästhetische Beurteilung des Kunstwerkes.

Um ein Kunstwerk zu beurteilen, ist es nicht notwendig, mit dem Künstler einverstanden zu sein. Man muss das Thema identifizieren und die abstrakte Bedeutung zu erkennen versuchen. Dann muss man die Mittel beurteilen, die zur Darstellung benutzt wurden.

Es ist kein Widerspruch, wenn man zu dem Ergebnis kommt: Das ist ein großes Kunstwerk, aber ich mag es nicht. Der erste Teil bezieht sich auf ein ästhetisches Urteil Der zweite Teil der Aussage zielt auf die philosophischen Werte des Kunstwerkes, die nichts mit den ästhetischen Werten zu tun haben.

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