Frage: „Kannst du ‚Konditionierung‘ erklären?“
Pedro de Souza: „Wenn wir an etwas glauben, weil alle daran glauben und nicht wagen, es in Frage zu stellen, dann sind wir konditioniert wie die Leute, die an des Kaisers neue Kleider geglaubt hatten.“
Vor vielen Jahren lebte ein Kaiser, der ungeheuer viel auf neue Kleider hielt. An einem Tag kamen zwei Betrüger, die gaben sich für Weber aus und sagten, dass sie den schönsten Stoff, den man sich denken könne, zu weben verstanden. Die Farben und das Muster seien nicht nur ungewöhnlich schön, sondern die Kleider, die aus dem Stoff genäht würden, sollten die wunderbare Eigenschaft besitzen, dass sie für jeden Menschen unsichtbar seien, der nicht für sein Amt tauge oder unverzeihlich dumm sei.
,Das wären ja prächtige Kleider‘, dachte der Kaiser; wenn ich solche hätte, könnte ich dahinterkommen, welche Männer in meinem Reiche zu dem Amte, das sie haben, nicht taugen, ich könnte die Klugen von den Dummen unterscheiden!‘ Er gab den beiden Betrügern viel Geld, damit sie ihre Arbeit beginnen sollten. Diese stellten auch zwei Webstühle auf, taten, als ob sie arbeiteten, aber sie hatten nicht das geringste auf dem Stuhl.
Der König wollte wissen, wie die Arbeit voran ginge und schickte nach und nach immer wieder einen Minister zu den Webern, damit sie die Arbeit überprüften. Aber keiner der Minister konnte den Stoff sehen. Dennoch wollten die Minister das auf keinen Fall zugeben und berichteten dem König von der wunderbaren Arbeit.
Nun wollte der Kaiser den Stoff selbst sehen. Mit einer ganzen Schar auserwählter Männer ging er zu den beiden listigen Betrügern hin, die nun aus allen Kräften webten, aber ohne Faser oder Faden. „Ja, ist das nicht prächtig?“ sagten die Minister, die dem König zuvor bereits berichtet hatten. „Wollen Eure Majestät sehen, welches Muster, welche Farben?“, und dann zeigten sie auf den leeren Webstuhl, denn sie glaubten, dass die andern das Zeug wohl sehen könnten.
‚Was!‘ dachte der Kaiser; ich sehe gar nichts! Das ist ja schrecklich! Bin ich dumm? Tauge ich nicht dazu, Kaiser zu sein? Das wäre das Schrecklichste, was mir begegnen könnte.‘ „Oh, es ist sehr hübsch“, sagte er; „es hat meinen allerhöchsten Beifall!“ und er nickte zufrieden und betrachtete den leeren Webstuhl; er wollte nicht sagen, dass er nichts sehen könne. Das ganze Gefolge, das er mit sich hatte, sah und sah, aber es bekam nicht mehr heraus als alle die andern, aber sie sagten das Gleiche wie der Kaiser und sie rieten ihm, diese neuen Kleider das erste Mal bei dem großen Feste, das bevorstand, zu tragen.
Endlich nahte das Fest und der Kaiser zeigte sich mit seinen neuen Kleidern dem Volk. Keiner wollte es sich anmerken lassen, dass er nichts sah. „Aber er hat ja gar nichts an!“ sagte endlich ein kleines Kind. – „Hört die Stimme der Unschuld!“, sagte der Vater. Und der eine zischelte dem anderen zu, was das Kind gesagt hatte. „Aber er hat ja gar nichts an!“, rief zuletzt das ganze Volk, das jetzt von den falschen Konditionierungen und dem falschen Glauben der Mehrheit befreit war.
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